Ein paar Gedanken zur Digitalisierung:
Erstens glaube ich, dass hier im Thread die tatsächliche Bedeutung des Kinos ein Stück weit verkannt wird. Das wichtigste an der Institution des Kinos ist m.E. nicht die Größe der Leinwand, die Qualität des Sounds oder die überragende 4k-Qualität, die zu Hause nicht herzustellen ist. DER Pluspunkt des Kinos ist, dass die Zuschauer dafür ihren Alltag verlassen, sie ziehen sich an, verlassen ihr zu Hause (ihren Alltag) und begeben sich in das Kino ihrer Wahl in den Film ihrer Wahl, um sich ganz auf den Film einlassen zu können. Und haben dabei noch ein Gemeinschaftserlebnis, das sie zu Hause nicht haben können. Diesen Punkt, das Verlassen des Alltags, hat schon Richard Wagner ausgebaut, als er das Festspielhaus in Bayreuth auf einem Hügel bauen ließ, so dass man zunächst nach Bayreuth reisen musste (beschwerlicher als heute), um dann auf den grünen Hügel zu pilgern. DAS ist der entscheidende Punkt des Kinos!
Die neueste Technik, 3D, riesige Leinwände, gewaltige Soundkulissen sind schön, v.a. im Mainstreambereich, aber nicht der entscheidende Grund für einen Kinobesuch.
Zweitens sehe ich an unseren Zuschauern, dass sie über einige technische Missstände gerne hinwegsehen, weil wir ein sympathisches junges Arthouse-Kino sind, das erst vor drei Jahren wiedereröffnet hat, nachdem es einen längeren Leerstand gab. Natürlich bin ich mit unserer Projektionssituation oft der unzufriedenste, denn es ist wirklich nicht alles optimal, wir haben schwierige Projektionsbedingungen (in drei Sälen über Spiegel) und 3 ziemlich kleine Säle (35, 60 und 80 Zuschauer bei Bildwandgrößen zwischen 8 und 20qm). Trotz aller scheinbarer Unsinnigkeit werden wir jetzt nochmal für unsere Verhätnisse einiges investieren, um unsere 35mm-Projektion zu verbessern. Das wird dank unserer Sparte und Zielgruppe noch eine Weile so laufen, die Zahlen sind jedenfalls gut und verbessern sich seit der Eröffnung kontinuierlich. Unseren größten Saal werden wir definitiv in nächster Zeit umrüsten, dort ist auch Platz, 35mm und digital nebeneinander laufen zu lassen.
Drittens halte ich es nicht für richtig, auf Teufel komm raus alle Kinos zu digitalisieren, zumindest nicht zu den heute herrschenden Bedingungen. Säle in der oben genannten Größenordnung amortisieren sich nicht in 20 Jahren, wenn man 50-70000€ in jeden Saal stecken muss. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob es überhaupt möglich wäre, diese Säle umzurüsten. Wenn die kleinen Verleiher die analogen Kopien von spezielleren, kleinen und nicht multiplextauglichen Filmen zu schnell abschaffen, werden die kleinen Kinos ihre Filme nicht mehr spielen können und dann spielt sie keiner mehr. Da gerade bei kleinen Verleihern noch eine Liebe zum Film besteht (nicht unbedingt zum Material, aber zum Kunstwerk) mache ich mir keine allzu großen Sorgen.
Viertens hängt mit drittens zusammen, denn wenn ich mit einer 4k-Pixelschleuder auf unsere kleine 8qm-Leinwand schieße ist das wie mit einem Panzer auf Kaninchenjagd zu gehen. Ich weiß gar nicht, ob es für die Projektoren überhaupt entsprechende Optiken gäbe...Natürlich werden wir nicht mehr lange analog spielen können, aber es braucht auch Standards für kleine Kinos, denn wie gesagt, die Zuschauer werden es vermissen, wenn sie nicht mehr in unseren Wohnzimmersaal gehen.