Hallo,
wie nebenan schon beschrieben habe ich jüngst sehr günstig eine Bolex H8RX4 erworben. Das gute Teil kam mit den drei Switar-Makro-Festbrennweiten (5.5, 12.5 und 36mm) und dem 8-36/1.9 Vario (letzteres interessiert mich aber irgendwie weniger, die Primes sind einfach so unglaublich gut). Die Kamera kam aus einem Adelsnachlass, war äußerst mies fotografiert und wirkt, als sei sie nie benutzt worden. Mit Ausnahme der BDA und der Rückspulkurbel war wirklich alles dabei, vom Bolex-Aufzieh-Selbstauslöser über Gossen-Aufsteckbelichtungsmesser (nebst intakter Quecksilberbatterien in OVP), Fiilmspalter, aller Sonnenblenden und Filterhalterringe und Objektivdeckel und RX-Fader bis zur Ledertasche und den originalen Leerspulen -- also nahezu komplett. Glück gehabt.
Obwohl sie natürlich dringend eine Schmierung und Justage verdient hätte, schnurrte sie doch so sanft und gleichmässig, dass ich am Wochenende zwei Rollen Fomapan R100 als Testfilm verdreht habe. Wir waren zu Besuch in Goslar, am Samstag mit der Harzquerbahn (Dampflok!) Richtung Brocken unterwegs, also ideale Voraussetzungen für einen praktischen Testfilm. Hach, was macht die Kamera für eine Freude! So schwer sie an der Schulter zieht und so viel mit ihr beim Filmen zu bedenken ist, so unglaublich wertig und flexibel ist sie doch auch. Die insgesamt 30m Film haben mir auch genug Gelegenheit gegeben, so ziemlich jeden denkbaren Fehler einmal zu begehen :)
Ja, man muss wieder abblenden nach dem fokussieren.
Ja, man sollte die Entfernung am richtigen Objektiv einstellen.
Ja, die Kamera läuft so leise, dass man auf den Meter-Zähler gucken sollte. Bei 13m sollte man wohl definitiv mal wenden.
Nein, man sollte jede Spule nur einmal wenden (hab's aber zum Glück noch vorm Weiterbelichten gemerkt)
Ja, die 24 statt 18 fps (bei den Fahraufnahmen) sollte man auch am Belichtungsmesser einstellen.
Ja, im vollen Museumswagen davonrollende Filmdosendeckel sind ärgerlich.
Wenn man den Belichtungsmesser einschaltet, misst er wesentlich besser.
usw...
Macht aber nix. Es hat riesigen Spaß gemacht, die Motive waren zahlreich, der Dampflokgeruch betörend und der Harz pittoresk.
Kaum zu Hause angekommen habe ich die beiden Filme entwickelt und getrocknet. Zum Slitten habe ich mir zwei 15m Labor-Spulen mit Sekundenkleber Rücken an Rücken geklebt und das Sandwich auf meinen Betrachter gesteckt. So liess sich der Film bequem durch gleichmässiges Kurbeln von der 16mm Spule durch den Filmspalter auf die beiden 15m Rollen teilen. (Der Lomo-Trenner läuft übrigens wesentlich leichter als der Knubbel von Bolex, obwohl ich letzteren extra noch geschmiert hatte. Wirkt auch weniger präzis verarbeitet.)
Alle vier Streifen koppeln, Vorspann davor und rein in den Projektor. Was war ich gespannt!
Was soll ich sagen? Die Qualität ist einfach enorm. Ich wusste nicht, dass Normal-8 so gut aussehen kann. Knackscharf bis in die äußersten Ecken, keine Vignettierung erkennbar, absolut perfekter Bildstand in alle Richtungen. Das erste Szenenbild ist jeweils etwas hell, aber das wird der Service richten. Selbst die fehlbelichteten Szenen sind großteils noch absolut ansehnlich (der Foma hat aber auch einfach einen tollen Kontrastumfang.)
Kurz: Ich bin verliebt bis über beide Ohren in die H8RX!
Heute Abend ging die Kamera nun auf die Reise nach Canada, wo ich sie auf DS8 umrüsten und natürlich Warten lasse. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich zu dem Umbau entschlossen. So hervorragend die Qualität von Normal-8 auch ist:
- Ich bin gespannt, was die H8 aus dem größeren Bildformat rausholt
- Mein Gerätepark ist S8 optimiert. Von der Klebepresse bis zum Projektor bin ich bzgl. N8 nur recht mittelmässig bestückt.
- ich habe bereits ein halbes Dutzend Doppel-8 Kameras.
- Einen zweiten H8-Body für Doppel-8 kann ich mir bei Bedarf später immer noch mal leisten.
- Das 5.5er Objektiv bekommt den Bildkreis erweitert und wird so noch weitwinkliger.
- Wittner wird mich wohl noch sehr sehr lange mit DS8-Material beliefern können, und es ist günstig. (SW reicht mir meistens)
- Das Angebot ist sehr fair
Nun heisst es also wieder warten. Und Vorfreuen.
Ach ja: Auf der Dampflokfahrt wurde ich von den eisenbahnbegeisterten Herren etwa alle 90 Sekunden auf die Bolex angesprochen. Bestimmt mit einem Dutzend älterer Herren bin ich in umfangreiches Plaudern gekommen. Die meisten davon hatten eine Videokamera um den Hals hängen. Alle hatten ihre Schmalfilm-Ausrüstung noch zu Hause und waren früher eifrige Filmer. Nicht ein einziger der Herren wusste aber, dass es noch immer Filmmaterial gibt! Einige waren dankbar für den Hinweis auf Wittner und wollten sich "da mal umgucken", es "passe ja an sich viel besser zum Dampf". Einer fand gar die €30 für Film und Entwicklung "bereinigt kaum teurer als damals".
Bezüglich der Verfügbarkeit von Film ist PR-mässig irgendetwas ganz gewaltig schief gelaufen. Man wüncht der Fa. Wittner mal eine Sichtbarkeit, wie sie auch das "Impossible Project" (für neue Polaroidfilme) erlangt hat.
So, und jetzt gehe ich schlafen und träume von meiner neuen alten. :)