Nein, Cellulosenitrat ist nicht besser lichtdurchlässig als Cellulosetriacetat oder Polyethylenterephthalat. Die Brechungsindizes sind verschieden und die kristalline Ausrichtung. Wenn alte Kopien schöner oder besser waren, liegt das daran, daß man früher mehr Sorgfalt walten ließ. Es gab noch Fachleute aus der Foto- und aus der Reprografie. Ich war selber Maschinenentwickler bei Cinégram Zurich, wo mein Chef, der Produktionsleiter, gelernter Fotograf war, Dietrich von Holten aus Ostfriesland.
Sicher waren die Verhältnisse beim Drehen auch anders, doch die Leistungen der Kameraleute und Beleuchter kommen nur ins Kino, wenn die Kopienmacher es verstehen, Dichte und Kontrast des Positives einzustellen. Ich glaube, viele Vorführer haben ein Bild in Erinnerung, das mit den Objektiven zusammenhängt. Eine Schwarzweißkopie, gespielt mit einem Petzval-Typ, sieht ziemlich anders aus als eine Farbenkopie, gespielt mit einem vergüteten unverkitteten Siebenlinser. Das vierlinsige Portrait-Objektiv von Voigtländer nach Petzval hat tierische Mittenschärfe. Wenn man es groß genug baut und nur den Mittenbereich nutzt, hat man ein gutes, preisgünstiges Projektionsobjektiv.
Dann hat sich seit den 1970er Jahren ein Paradigma praktisch umgekehrt. Nachdem bei der Aufnahme traditionell möglichst große Schärfentiefe gesucht wurde, kam der Reportagestil in Mode. In Nachahmung oft schlechter Lichtverhältnisse ließ man Scheinwerfer weg, hielt die Blende offen und griff zum empfindlichsten Film. Wenn man das beherrscht, hat man schon Möglichkeiten, aber wie viele Szenen schreien eigentlich nach der Schere, weil falsch fokussiert wurde! Es wird fast immer zu lang fokussiert in Unkenntnis der asymmetrischen Schärfeausdehnung vor und hinter der Zielebene. Hier zeigt sich, wer das fotografische Handwerk kennt. Heute wird nicht mehr für 25 bis 50 ISO belichtet, sondern für 250 bis 800.
Es gibt da allerdings noch ein Problem, das kaum beachtet wird. Ich bin der Meinung, daß die Kinematografie in ihren eigenen Regeln erstarrt. Die Filmemacher setzen immer wieder die bewährten Abläufe ein, sie lassen im Regen Dinge glänzen und stellen bei Bettszenen Gegenlicht auf. Die Filme sehen alle ähnlich aus. Im Dezember lief Kind Hearts and Coronets am Fernsehen, er wirkte schlecht. Logisch, der Film wurde nicht fürs Fernsehen gemacht, er gehört auf die Kinowand. Dort jedoch ist er wundervoll.
Der Kinofilm ist mit dem Abgang gesellschaftlicher Generationen gestorben, durch das Verschwinden der Menschen, die mit einem Gegenüber leben. Ein Gegenüber war der Zuschauer im Kino. In den vergangenen 40 Jahren ist der Film hinausgezerrt worden ins Allgemeine, überall Verfügbare. Die Vertrautheit der Lichtspieltheater ist für mich ein wesentlicher Bestandteil von Kino. Die Gesellschaft war aber neu gestimmt und heute will jede/r für sich selbst wissen, wie was geht. Es ist gut so, nur sind kaum mehr Geschäfte zu machen mit den alten Streifen. Sie benötigen ein vorbereitetes Publikum, mit anderen Worten geschichtliche Didaktik.