Formatübergreifend ist das Problem. Das Kinobild hat das Seitenverhältnis 4 zu 3. Das Kleinbild ist breiter, 3 zu 2. Da geht also ein Vergleich schon nicht. In der Großbildfotografie haben wir die Seitenverhältnisse 11 zu 8, 7 zu 5, 5 zu 4, 4 zu 3 (12 cm x 9 cm) und noch andere mehr.
Am konstantesten ist also das normale Kinobild, 4:3 bei Normal- und allen Schmalformaten. Es hat sich die doppelte Bilddiagonale (nicht Bildkreisdurchmesser) als normale Brennweite herauskristallisiert, also 60 mm fürs nominelle Bild 24 mm x 18 mm (59 mm bezogen aufs Kamerafenster 23,6 mm x 17,7 mm), 20,5 mm fürs Bild auf Pathé-Film 9.5, ein Zoll fürs Bild 0.4" x 0.3" auf Eastman-Kodak-Film 16, usw. Interessant ist, daß beim Normalfilm etwas weniger als Normalbrennweite üblich ist, zwei Zoll (50 mm) oder noch weniger. Dies hat mit der Praxis der Projektion zu tun. Bis zur Tonfilmrevolution waren die Filmtheater enger, länglicher, richtige Schläuche. Man suchte lange Brennweite, einerseits um den Projektor genug weit nach hinten zu bringen, andererseits auf Grund der meist schmalen Ladenlokale. Um das Publikum trotzdem ins Geschehen hineinzuziehen, rückte die Aufnahmebrennweite zurück, ein falscher Ausgleich der Kinogeometrie. Weitwinkelobjektive waren bis nach dem Ersten Weltkrieg kaum in Gebrauch. Da war der Kino schon Weltmacht.
Mit dem Tonfilm hat man die schlechte Akustik der Schläuche erkannt. So kam es zu den breiteren Neubauten, man suchte auch, die Seitenwände auseinanderzuwinkeln und die Saaldecke schräg zu stellen, selbst das Parkett wurde nach hinten abfallend gebaut. Die extremste Geometrie brachten die Breitwandsysteme der 1950er Jahre und IMAX, das bezeichnend ein Bildseitenverhältnis wieder nahe bei 4:3 besaß. Bei IMAX sind die Sitzreihen steil aufsteigend angeordnet, die Seitenwände oft gerundet. Die Tontechnik war ja auch nicht mehr die von 1929.
Bei den Breitbildverfahren mit optischer Ver- und Entzerrung geht man vom zugrundeliegenden Normalbild aus. CinemaScope basierte auf dem Vollbild 18 x 24. Die Präsentation auf gewölbter Wand und das Näherrücken des Zuschauerblocks verändert die Sicht gewaltig. Darum ging es ja im Kampf gegen das Fernsehen.