Folgende Mail habe ich heute von Herrn Weber aus Nürnberg erhalten.
Ist aber nicht die Erste.
JETZT hat er aber wohl am Wochenende einen Sonnenstich bekommen.
ER gibt allen Kinos in Deutschland die Schuld am Besucherrückgang, die NICHT auf Digital umgerüstet haben.
HIER DIE MAIL:
Dear all,
„Goldrausch mit Silberlingen – Der Siegeszug der DVD ist nicht zu stoppen: Das digitale Heimkino verschafft Hollywood immer neue Umsatzrekorde – und lässt viele Filmtheaterbesitzer um ihre Existenz fürchten. Kulturkritiker sehen gar das Ende des traditionellen Kinoerlebnisses nahen.“ (Der Spiegel, 13.6.2005)
„Zuviel Film ist schlecht fürs Kino – Die Besucherzahlen sinken. Und schuld sind längst nicht die Raubkopierer allein“ (Die Welt, 2.6.2005)
Solche Schlagzeilen in renommierten Zeitungen wie Die Welt und Der Spiegel können nur als PR-Desaster bezeichnet werden. Und es werden nicht die einzigen bleiben, ähnliche Berichte werden sicher auch in anderen Medien folgen; dadurch wird eine Endzeitstimmung verbreitet, die einen weiteren negativen Einfluss auf die Besucherzahlen ausüben wird: selbst die noch verbliebenen Kinogänger werden sich fragen, ob sie wirklich einer aussterbenden Spezies angehören wollen!
Allerdings hätte man ein solches PR-Desaster verhindern oder zumindest eindämmen können, wenn der Digitale Rollout stattgefunden hätte, wie im Januar 2005 vorgeschlagen: es war ein Rollout mit 200 Kinos vorgesehen, der zum Start von STAR WARS EPISODE III am 19.5.2005 erfolgen sollte (detaillierte Vorschläge lagen vor). Durch positive Berichterstattung über solch eine Initiative der Kinos, die sich für die Zukunft rüsten, hätte man der negativen PR entgegenwirken können.
Auf regionaler Ebene ist uns das in Nürnberg gelungen: zum Start von STAR WARS EPISODE III wurden im CINECITTA Kino 1 (547 Sitzpl.) und Kino 11 (414 Sitzpl.) auf digitale Projektion umgerüstet. Die Resonanz in Print/TV/Radio war extrem positiv, CINECITTA hat sich dadurch das Image eines modernen, auf die Zukunft eingestellten Kinos erworben.
ERFAHRUNGEN MIT STAR WARS EPISODE III IM CINECITTA, NÜRNBERG
Schon nach kurzer Zeit konnten wir feststellen, dass auch beim Kinobesucher die Tendenz ganz klar in Richtung digital geht: in einem Zeitraum von 29 Tagen wurden gesamt 62.764Tickets für STAR WARS EPISODE III verkauft, davon 25.018 (40%) analog / 37.746 (60%) digital. Die Einnahmen beliefen sich auf gesamt 492.934€ , davon 187.604 € (38%) analog / 305.330 € (62%) digital. Der Eintrittspreis betrug gesamt 7,85 €, davon 7,50 € analog / 8,09 € digital.
Am 4. Wochenende (Do 9.6. – So 12.6.) hatten wir im CINECITTA gesamt 5.259 Besucher in STAR WARS EPISODE III, davon 1.373 (26%) analog / 3.886 (74%) digital. Damit übertrafen die Besucherzahlen des CINECITTA an diesem Wochenende die des Mathäser Multiplex in München um ca. 10%, normalerweise ist das Verhältnis umgekehrt. Diese Zahlen beweisen, dass durch die digitale Projektion mehr Besucher gewonnen werden konnten. Auch zeigt die immer weitere Verschiebung des Besucheranteils in Richtung Digital, dass sich die Vorzüge der digitalen Projektion beim Publikum durch Mundpropaganda verbreiten.
Der Aufpreis von 0,50 €, der für die digitale Projektion erhoben wird, hat sich nicht als Hindernis erwiesen. Es wird als normal betrachtet, für ein besseres Produkt etwas mehr zu bezahlen. Eine Publikumsbefragung, die von der lokalen Presse durchgeführt wurde, ergab durchweg extrem positive Reaktionen. Des Öfteren spendete das Publikum am Ende der Vorstellung Applaus. Selbst eingefleischte 35mm-Fans ließen sich von der Qualität der digitalen Projektion überzeugen: ein seit 20 Jahren in unserem Atrium-Filmpalast beschäftigter Vorführer kam begeistert aus einer digitalen Vorführung und meinte, man könne 35mm vergessen!
Die Frage, ob die digitale Projektion dem 35mm Standard gleichkommt, stellt sich für uns nicht mehr; nach einhelliger Meinung übertrifft die digitale Projektion 35mm und erreicht eher 70mm Qualität.
Für uns stellt die digitale Projektion das Modell für die Zukunft dar. Deshalb beabsichtigen wir, alle 18 Säle des CINECITTA so schnell wie möglich umzurüsten. Wir sind aber davon abhängig, dass die Verleihfirmen digitale Fassungen liefern.
ANGESTREBTES ROLLOUT / FINANZIERUNGSMODELL:
Um den Verleihfirmen, die vor eventuellen Mehrkosten zurückschrecken, den Einstieg zu erleichtern, schlagen wir folgendes vor:
Die Finanzierung der neuen Anlagen erfolgt komplett aus dem Aufschlag von bis zu 1 € pro Ticket, der für digitale Fassungen erhoben wird.
Der Beitrag der Verleihfirmen zur Finanzierung besteht lediglich darin, auf den Verleihanteil aus diesem Aufschlag für den Finanzierungszeitraum von 5-6 Jahren zu verzichten.
Die Höhe des Aufschlags bleibt dem Kino überlassen; auch kann das Kino selbst entscheiden, ob der Aufschlag für sämtliche Vorstellungen und Preiskategorien erhoben wird (oder evtl. nur am Wochenende, für Eventfilme, nicht für Schüler/Studenten usw.).
Kinos mit mehr als 25-30.000 Besuchern pro Jahr können unter diesen Voraussetzungen die Finanzierung in 5-6 Jahren realisieren!
Als Vorteil für die Verleihfirmen ergibt sich, dass die Kostenersparnis durch den Wegfall der 35mm Kopien dem Verleih verbleibt. Personalkostenersparnis und evtl. Beiträge der Werbemittler verbleiben dem Kino.
Also leistet jede Seite einen Beitrag, hat aber auch einen Vorteil.
Es ist gewährleistet, dass jede Seite mindestens so viel Einnahmen hat wie jetzt auch.
Als weiterer gemeinsamer Vorteil für Kino und Verleih ergibt sich, dass höhere Besucherzahlen erreicht werden können (nach unserer Schätzung ca. 5-10%).
Eine großangelgte Werbekampagne für die digitale Projektion sollte von Kino und Verleih gemeinsam finanziert werden.
VORTEILE EINER DIGITALEN UMRÜSTUNG:
Die digitalen Projektionsanlagen sind 3D-fähig. Zur Zukunft von 3D siehe den Artikel:
3D CINEMA - VIEWING THE FUTURE by Joseph L. Leiman: http://www.worldenteractive.com/realdinthree.htm
Das komplette Vorprogramm aus Werbespots und Filmtrailern kann über den Kinoserver in einer „playlist“ zusammen mit dem Hauptfilm gespielt werden. Es lässt sich ein vollautomatischer Ablauf für die ganze Woche festlegen, der im Bedarfsfall jederzeit abgeändert werden kann. Es ist nur noch eine Überwachung in der Zentrale und eine Überprüfung im Saal notwendig.
Die digitale Projektionsanlage hat sich als stabiles System erwiesen, die für STAR WARS EPISODE III mitgelieferten 35mm Sicherheitskopien wurden nicht verwendet. Texas Instruments gibt 10 Jahre Mindestlebensdauer für die Light Engine an.
DIGITALER ROLLOUT IM CINECITTA; NÜRNBERG.
Der digitale Rollout im CINECITTA, Nürnberg soll folgendermaßen ablaufen: die Finanzierung erfolgt über Leasing, Bank oder privates Investment. In 2-3 Stufen werden entweder 2x9 Anlagen oder 3x6 Anlagen installiert. Als Beginn ist Oktober/November 2005 vorgesehen, innerhalb von 1-2 Jahren soll die komplette Umrüstung abgeschlossen sein. Angeschafft werden in allen Kinos 2K Projektionsanlagen mit denen Filme in dem von DCI festgelegten Standard gezeigt werden können.
Als wichtigste Filme für digitale Projektion im Herbst 2005 sehen wir HARRY POTTER UND DER FEUERKELCH, DIE CHRONIKEN VON NARNIA & KING KONG an (wir konnten uns in Neuseeland selbst überzeugen, dass KING KONG zu einem großen Teil digital produziert wird; also dürfte es kein Problem sein, davon eine digitale Fassung herzustellen).
Im 3D-Bereich erscheint uns THE ADVENTURES OF SHARK BOY AND LAVA GIRL viel versprechend; wir könnten uns auch vorstellen, POLAR EXPRESS, der in den angelsächsischen Ländern letztes Jahr große Erfolge in den Large Format Kinos in 3D verbuchen konnte, zu Weinachten noch einmal in 3D zu präsentieren.
Weitere Nutzungsmöglichkeiten für die digitale Projektionsanlage bieten sich bei der Fußball WM 2006, wobei die Rechte mit Premiere geklärt werden müssten. Man könnte versuchen, die Fußball-Übertragungen in 3D zu projizieren, was mit dem 2K Projektor von Christie möglich ist.
Anstatt angesichts rückläufiger Besucherzahlen und der negativen Presse-Berichterstattung in kollektive Depression zu verfallen, sollten sich Kinos und Verleihfirmen schnellstens zu gemeinsamem Handeln entschließen. Die Botschaft muss lauten: Wir stellen uns der Herausforderung, wir sind besser! Dazu müssen die Möglichkeiten, die digitale Projektion und 3D Kino bieten, ausgeschöpft werden. Dem Publikum muss vermittelt werden, dass das Kino auch in Zukunft als Erlebniszentrum und Treffpunkt konkurrenzfähig ist.
Viele Grüße aus Nünberg
Wolfram Weber