Zunächst muss ich @magenta in allen neins 100% bestätigen. Es ist immer wieder erstaunlich, welch abenteuerliche Plattformen das Netz gebiert. Tatsache ist, das nach dem Vorspiel von Superscope und Superscope 235 in den 1950ern die Idee lange ruhte.
Erst 1984 setzte sich DoP John Alcott (!) in Vorbereitung auf sein Projekt Greystoke, die Legende von Tarzan, mit der Firme ARRI zusammen,um die Idee der Vollbildnutzung wieder auf zu nehmen. Vor dem Hintergrund, dass man mal wieder von Anfang an eine blow up 70mm Roadshow plante, überlegte Alcott, wie er den Schwächen des 35mm anamorphic Formates gegensteuern konnte, die da waren :
Das kleinere Negativ gegenüber dem Vollbild.
Die Fast-Halbierung der Tiefenschärfe durch die anamorphotische Optik.
Letzteres Problem stellte sich besonders drastisch dar, da er ein sehr großes Studio, ausgestattet mit komplettem Urwald, ausleuchten musste.
Denn um mit anamorphotischer Optik die gleiche Tiefenschärfe zu erreichen wie mit der gleichen festen Brennweite, musst Du die Blende 1 stop schließen. Und Tiefenschärfe war im Urwaldszenarium trotz relativer Dunkelheit gefragt. Und wir alle wissen, eine Blende bedeutet die doppelte Lichtstärke. Zum Beispiel 200 KW satt 100 KW. Also ein LKW für 40 Tage mehr auf der Rechnung.
Kommt noch erschwerend hinzu, dass man bei Festbrennweiten problemlos auch mal auf f=1,8 öffnen kann, wenn die Einstellung keine große
Tiefe abbilden muss. Die Anamorphoten der 1980ger schwächelten schon unter f=3,5.
Auch wollte Alcott sich gegen die damals letterboxfeindliche Videoauswertung absichern. Also komponierte vorrangig den 1:2,35 Ausschnitt und bildete aber für 1:2,0 und TV Format noch brauchbare Zusatzinformation ab. Damit das multiple Ausschnittangebot auch sichere und befriedigende Ergebnisse zuließ, erfand er gleich noch die common topline Kadrierung. Das bedeutete, er komponierte das für ihn primäre 1:2,35 Format nicht in die Mitte des frames, sondern an der oberen Grenze. Jetzt mussten alle anderen Formate, um die gewünschte Bildhöhe zu gewinnen nach unten erweitern, ohne dass Mikrofone oder Scheinwerfer ins Bild gerieten.
Man nannte es Super 35, aber noch ohne Credits- oder Postererwähnung.
Nach ARRI zog dann Panavision 1985 nach unter dem Label Super Techniscope und Dop John Bailey realisierte damit Silverado. Als ARRI und Panavision dann auch 3perf/4perf umstellbare Kameras anboten (25% Materialersparnis), wurde S35 dann fast Standartformat, auch für sphärische Produktionen.
Man beachte bitte, ich rede hier von der ra der chemischen Fotografie.
Die elektrische Filmwelt redet auch vom S 35 Format. Aber hier geht es nicht um essentiellen Auflösungsgewinn mit Blick auf die Massenvervielfältigung.
Bei digitalen Kinokameras hat man das S35 Chipformat nur übernommen aus marketing Gründen. Man wollte, und hatte auch Erfolg damit, den anfangs ohnehin skeptischen Film DoPs den Übergang in die schöne neue Diggiwelt erleichtern. Denn wir denken und fühlen schon beim Lesen des Drehbuches, Einstellung für Einstellung in Brennweiten. Auch im Dialog mit der Regie reden wir über 50er oder 90er usw. Da war es hilfreich, dass durch die Übernahme der gleichen Aufnahmefläche auf der kreativen Seite keine Irritation entstand.