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Geschrieben

Hallo,

 

wir schreiben das Jahr 2011 und es kommt ein nagelneuer Stummfilm ins Kino: "The Artist"! Obwohl die Trailer (bis auf den Titel) in s/w sind, wurde laut IMDb mit Kodak Vision3 500T 5219 (in 35mm) gedreht. In USA läuft er bereits am 23.11.11 an, in Deutschland scheinbar erst am 26.1.2012.

 

Trailer:

http://movies.yahoo.com/movie/1810224313/trailer

 

IMDb:

http://www.imdb.com/title/tt1655442/

 

Zwei leicht unterschiedliche Trailer plus deutscher Info:

http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/the-artist

 

Wer also dachte, daß Mel Brooks' "Silent Movie" von 1976 die letzte Big-Budget-Stummfilmproduktion sei, hat sich getäuscht...

 

Gruß,

Jörg

Geschrieben

Ich lach' mich schief über die MPAA-Bewertung: "PG-13 for a disturbing image and a crude gesture". Freigegeben ab 13 wegen eines aufwühlenden/beunruhigenden/störenden (sry - das sind die Übersetzungsmöglichkeiten, die LEO anbietet) Bildes und geschmacklosen/groben/unfeinen (nochmal LEO) Gestikulierens.

 

Ansonsten: hübsch. Aber wenn man auf Farbnegativ dreht, dann ist das eben kein echtes Schwarz-weiß, sondern sieht aus wie am Farbfernseher, bei dem man die Farben weggedreht hat. Ob nochmal wer auf Schwarz-weiß-Negativ dreht? Die Schwarz-weiß-Kopien der fünfziger Jahre hatten super-tolle-Grauwerte ... was war das noch für ein optisches Erlebnis ...

Geschrieben

Ansonsten: hübsch. Aber wenn man auf Farbnegativ dreht, dann ist das eben kein echtes Schwarz-weiß, sondern sieht aus wie am Farbfernseher, bei dem man die Farben weggedreht hat. Ob nochmal wer auf Schwarz-weiß-Negativ dreht? Die Schwarz-weiß-Kopien der fünfziger Jahre hatten super-tolle-Grauwerte ... was war das noch für ein optisches Erlebnis ...

 

So war es denn in diesem Fall wohl auch:

Auf Farbnegativ gefilmt, dann digitalisiert und in der digitalen Postproduktion die Farben weggedreht..

 

Die Frage ist, ob es denn überhaupt noch vernünftiges S/W-Negativ-Cine-Material gibt, mit dem "richtig" in Schwarz-Weiß

gedreht werden kann.

Dies betrifft natürlich den ganzen Produktions-/Kopierprozess:

Negativ-Material / Dupliziermaterial für S/W / "echte" Loch- bzw. Abblenden auf der optischen Bank/im Kopierwerk

usw.

Es fängt ja schon bei der richtigen Ausleuchtung an, die bei einem klassischen S/W-Film aus den oben erwähnten 50ern

ja ganz anders ist als bei einem Farbfilm.

 

k.Schreier

Geschrieben
Ich lach' mich schief über die MPAA-Bewertung: "PG-13 for a disturbing image and a crude gesture". Freigegeben ab 13 wegen eines aufwühlenden/beunruhigenden/störenden (sry - das sind die Übersetzungsmöglichkeiten, die LEO anbietet) Bildes und geschmacklosen/groben/unfeinen (nochmal LEO) Gestikulierens.

 

Das Problem bei der MPAA ist, daß die nächst kleinere Bewertung "PG" gleich beinhaltet, daß der Film für alle Kinder aller Altersstufen (in Begleitung der Eltern) freigegeben ist. Und die div. Trailer enthalten durchaus Szenen, die den Film für mich erst "ab 10" tauglich machen (Wutausbrüche, in denen Projektoren und Filmrollen zerlegt werden; alptraumhafte Szenen mit Treibsand, ...). Denn diese Szenen sind z.B. für 4- oder 6jährige durchaus "verstörend".

 

Aber wenn man auf Farbnegativ dreht, dann ist das eben kein echtes Schwarz-weiß, sondern sieht aus wie am Farbfernseher, bei dem man die Farben weggedreht hat.

 

Da hast Du natürlich Recht. Das Problem ist hier aber, das die Trailer nicht wirklich s/w sind (farbige Titel, sonstige Szenen leicht sepia getönt, ...). Zudem soll der Film nicht in den 50ern, sondern 1927 spielen. Und z.B. die restaurierten Laurel&Hardy-Filme zeigen, daß die S/W-Filme damals noch nicht so dolle waren (von den "unrestaurierten" mal ganz zu schweigen).

Davon abgesehen kann man mittlerweile bei der Umwandlung von Farbe in s/w einiges mehr machen, als nur die Farbe "wegzudrehen", z.B. "nachträglich" noch den Effekt von Gelbfiltern, ... zu simulieren. (Diese ganze Filterei beherrscht doch heute kein Kameramann mehr, oder?)

 

Jörg

Geschrieben

Hallo,

 

Na eigentlich sollte es ja eher umgekehrt sein. Auf den Farbfilmen stand ja immer "zu belichten wie...." Ich denke mit Graukeilvorprobe kommt da heute noch jeder Kameramann klar der richtig "filmen" kann.

 

Beim Material wird es schon schwieriger, obwohl es gibt ja noch einiges an Negativmaterial. Na und zum Kopieren gibts den ORWO PF2, das wäre also nicht das Thema.

Aber es ist schon richtig, welches Labor wird wegen einem Film eine komplette Maschine auf SW Brühe umstellen auch wenn die Prozesse und deren Rezeptur bekannt sind.

Dabei ist es ja eine echte Herausforderung, einmal Dramaturgie nur durch Licht und Schatten zu erzeugen, ganz ohne Farbstimmung.

Die Filmleute haben es doch dabei heute viel, viel einfacher als damals. Halogen und HMI oder LED kannte damals noch keiner. Die haben sich mit echten Kohlebogenlampen und Glübirnen herumplagen müssen.

Zumal die genaue Farbtemperatur der Leuchten ja in SW nicht so dramatisch ist wie bei Farbe.

 

Gruß otti

Geschrieben

Kurz angemerkt zu den vorigen Posts:

 

1. Es gibt von Kodak und Filmotec/Orwo nach wie vor alle nötigen Aufnahme-, Duplikat- und Zwischenmaterialien für Schwarzweiß.

 

2. Es gibt in den USA wie auch hierzulande Kopierwerke, die s/w entwickeln und kopieren können. Natürlich nicht mehr jedes Kopierwerk, dazu ist die Nachfrage zu gering.

 

3. Für den häufigen Dreh auf Farbnegativ gibt es zwei gewichtige Gründe:

 

a) Kommerzielle Auswertung von Schwarzweiß ist auf vielen Märkten ein Problem, betrifft besonders TV-Rechte. Daher bestehen Produzenten auf Farbdreh, damit später DVD-, TV- oder alternative Kinoversionen in Farbe angefertigt werden können. Daß es keine Ausleuchtung gibt, die ein klasisches Schwarzweiß und eine ausleuchtungsmäßig vernünftige Farbfassung ergibt, liegt auf der Hand.

 

b ) Die meisten Filmemacher wollen heute prinzipiell mit wenig Licht arbeiten, viele Kameraleute können auch gar nicht klassisch schwarzweiß beleuchten, weil sie es nie gelernt haben. Daher greift man zu hochempfindlichem Farbnegativ, das ja heute eine recht gute Qualität besitzt und kopiert auf Schwarzweiß (oder entsättigt über digital).

Das hochempfindliche Kodakmaterial ist einfach zu körnig, und daß Orwo NP74 ein weit überlegenes 400er-Material ist, hat sich noch nicht herumgesprochen. Immerhin ist Filmotec jetzt auch in den USA vertreten, vielleicht trauen sich die DPs dann einmal, das Material zu testen:

 

Orwo NA

 

4. Der Aussage, das Filmmaterial sei früher nicht so gut gewesen, ist klar zu widersprechen. Man muß unterscheiden zwischen dem, was wir irgendwann als Vorführkopie oder als restaurierte Neufassung vorgesetzt bekamen und dem, was in einer damaligen Kopie (und natürlich im Negativ) steckte. Man muß sich klarmachen, daß in den allermeisten Fällen - das betrifft übrigens gerade die kurzen Laurel & Hardys - das Ausgangsmaterial verloren ist und für Rekonstruktionen nur Filmmaterial zur Verfügung steht, das mehrere analoge Kopiergenerationen entfernt ist.

 

Sebst früheste Stummfilme aus den ersten Jahren des Films sind, sofern sie vom Kameranegativ kommen, oft extrem feinkörnig und scharf, da man damals mit minimaler Filmepfindlichkeit (Sonnenschein-Aufnahmen oder Glashaus-Ateliers!) und sinnvoller Arbeitsblende drehte.

Einen Rückgang in der Bildqualität gab es in den 1930er Jahren, als die Studios vermehrt Rückprojektionen und Duplikat-Blenden einsetzten, denn jede Kopiergeneration erzeugte gröberes Korn und Auflösungsverlust. Den emulsiontechnischen Höhepunkt scheint es in den späten 1950ern gegeben zu haben, besonders DuPont-Schwarzweißnegative sind oft von atemberaubender Schärfe und allerfeinstem Korn.

 

Was dann, eventuell über Auslands-Dupnegative, noch beim Zuschauer im Kino ankam, ist eine andere Frage, ich nenne nur LA DOLCE VITA/DAS SÜSSE LEBEN als extremes Beispiel: Messerscharf und feinkörnig im Original, grobkörnig, suppig und leicht flau in den deutschen Kinokopien...

 

5. Optische Blenden sind nach wie vor auf Oxberry-Trickkopiermaschinen realisierbar, die ja für Restaurierungszwecke in etlichen Unternehmen (auch in D) stehen. Hat sicher lange keiner mehr geordert, so daß man sich damit befassen und Test machen muß, aber es ist machbar. Außer Gordian Maugg (DER OLYMPISCHE SOMMER) fällt mir keiner ein, der sich diese Mühe machen würde, und kommerziell wird eher die digitale Patina-Fälschung à la PLANET TERROR belohnt oder der eher grobschlächtige s/w-Look von SIN CITY als "klassisch" bejubelt. "Well, that's the way the cookie crumbles..." (The Apartment, 1960)

Geschrieben

Hallo,

 

es gibt sicher Gruende, einen geplanten Schwarzweissfilm auf Farbnegativ zu drehen, auch, wenn es nach wie vor Alternativen gibt. Leider sind ja die Schwarzweissmaterialien seit Langem nicht mehr weiter entwickelt worden. Andere Gruende wurden bereits genannt. Dass der NP74 so gut sein soll, freut mich allerdings zu hoeren. Habe den noch nicht getestet.

 

Was ich aber inakzeptabel finde, ist, Projektionskopien auf Farbmaterial herzustellen. Dabei kommt nun mal kein richtiges Schwarzweiss heraus.

Vor einiger Zeit musste ich eine Archivkopie von Der Himmel ueber Berlin ueber mich ergehen lassen. Die hatte schon ein paar gruene Laufstreifen! Die paar Farbeinstellungen haette man problemlos einkleben koennen. Ging ja bei Schindlers Liste auch. Nur leider nicht bei allen Kopien, es gab auch welche, die durchgaengig auf Farbmaterial gezogen worden sind. Das gleiche Problem bei Das weisse Band. Nur ein Teil der Kopien waren echtes Schwarzweiss. Anscheinend gibt es kurzfristig in ganz Europa nicht mehr genuegend Schwarzweissmaterial fuer eine einzige Kopienauflage. Traurig!

Das haengt ja auch mit dem perfiden System, neue Filme moeglichst gleichzeitig in allen Kinos zeigen zu wollen und anschliessend 99 bis 100 % der (theoretisch langlebigen) Kopien zu vernichten, zusammen. Was ich davon halte, schreibe ich hier lieber nicht.

 

Gruss

 

Liliputkino

Geschrieben

Interessant in diesem Zusammenhang fand ich die Kopien von Tarantinos "Death Proof". Hier lag der Übergang vom Farb- zum Schwarzweißmaterial auch direkt an einem Aktwechsel, ich meine von Akt 2 auf Akt 3. War ganz witzig beim Koppeln. Wobei ich auch hier schon wieder gehört habe, dass wohl nicht alle Kopien (streckenweise) auf echtem S/W-Positivmaterial ausbelichtet wurden.

  • 2 Monate später...
Geschrieben

Ich habe "The Artist" eben im Abaton Kino gesehen und bin noch ganz beseelt.

Schon sehr lange hat mich Kino nicht mehr so grinsen lassen. Pure Magie, dieser Film.

 

Ich kann ihn nur absolut jedem empfehlen. Nicht nur wegen 4:3 und SW, auch wegen einfach ... ach, einfach wegen allem. Ein ganz besonders toller Streifen.

  • 3 Wochen später...
Geschrieben

Oh ja, den Film habe ich am Samstag auch genossen. In einem ausverkauften Cinema Paris in Berlin.

Und Berufskrankheit sei dank gleich mal drüber sinniert, ob das jetzt echtes Schwarzweiss war. Ich war mir aber bald sicher, dass nicht, weil er doch ziemlich flau war.

Was ich mich aber noch gefragt habe: Wie ist das mit der Tonspur? Ist das nicht heutzutage alles Rotlicht/Cyan? Wie geht das denn bei einer echten Schwarzweisskopie? Oder geht eine "echte" Silbertonspur auch mit Rotlicht?

Geschrieben

Die 35mm-Filmkopien sind leider auf Farbmaterial ausbelichtet - und was noch fast schlimmer ist nicht im echten 1:1,37-Bildformat (20,96 mm x 15,29 mm), sondern in 1:1,85 mit seitlichen Balken (ergibt dann ein effektives Bild von ca. 15,52 mm x 11,33 mm)! Jetzt kann sich jeder ausrechnen, wieviel Auflösung dabei verlorengeht...

 

(Ganz zu schweigen von den "schönen" trapezförmigen Verzeichnungen bei Auf- / Abwärtsprojektion)

Geschrieben

Es gab doch ein paar SW-Material-Lopien von Hanekes DAS WEISSE BAND, und damit gerade bei den Tonspuren diverse Probleme in einigen Häusern. Auch der Film wurde wegen Druck von den Produzenten (Degeto?) in Farbe gedreht. Ich check das absolut nicht. Wieso sollte ein Film, der in SW ausgelegt ist, jemals in Farbe ausgewertet werden sollen?

Geschrieben

Für die Auswertung in Farbe bei s/w gedachten Filmen gab es auch schon andere prominente Beispiele. Beispiel "The Man who wasn't there" von den Cohn Brüdern. Der Grund dürfte eindeutig in der Gradation beim DI liegen. Da lässt sich bei Farbmaterial eben noch mehr rausholen.

Geschrieben

Nicht nur die Gradation ist da ein Faktor -- auf Colorneg aufzunehmen bedeutet ja auch, nachträglich noch die Lichtfarbe verändern zu können. Wer weiss, wie Gelb-, Rot- oder Blaufilter auf SW-Film wirken, der kann sich vorstellen was es heisst, all diese (und andere) Filter auch nach der Belichtung noch "anwenden" zu können, ohne dabei mehr Informationen zu verlieren, als es ein echtes Filter getan hätte.

Reine Panchromasie ist langweilig und in den 30ern bestimmt auch noch nicht in Perfektion erreicht. Gerade Hauttöne lassen sich so prima einstellen.

 

Das die Kopie letztendlich auf SW-Material gehört –– wegen Dmax, um ungewünschte Tonungen oder um Neutralitätssprünge beim Reelchange zu vermeiden, ist klar -- nur gibt es die Infrastruktur noch, so viele echte SW-Kopien zu ziehen?

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

THE ARTIST gestern abend gesehen. Saal fast ausverkauft. Annähernde Premierenstimmung (!). Am bemerkenswertesten: Die Kopie sah fast so aus wie kopierwerksfrisch ausgepackt ... und das nach - wievielen? - Wochen Spielzeit ...

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