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Geschrieben

Man liest in der Beschreibung historischer Kinos oft von 'Acella Wandbespannung' - das ist wohl ein historisches PVC, das in den 50ern sehr häufig verwendet wurde.

 

Kennt sich jemand mit dem Material aus, speziell was Lieferanten, Verarbeiter angeht, Brandschutzauflagen, etc?

 

Viel Information dazu gibt es nicht mehr. Es gibt wohl einen Hersteller http://www.contitech.de/pages/produkte/folien/folien_de.html , der das Material aber eigentlich nur für den KFZ Innenausbau bewirbt. Angeblich hat das 'Neues Off' in Berlin noch Ende der 90er eine Acella Wandbespannung erhalten.

 

Das ist wohl ein PVC, aber was Brandschutz angeht gibt es dabei widersprüchliche allgemeine Angaben, die sich nicht zwangsläufig auf die Acella Produkte übertragen lassen.

 

- Carsten

Geschrieben

Wir hatten mal vor Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben und mussten erfahren, dass Acella den Brandschutz Auflagen NRW nicht mehr entsprach. (soweit ich mich erinnerte, tropfte es bei hohen Temperaturen). Wenn kein Bestandsschutz gegeben ist hilft nur Ersatz.

Geschrieben

Hallo Herr Skötsch,

 

 

tja, die Frage des Bestandsschutzes ist hier u.a. auch die Thematik. Man hört aber auch immer, dass beim Brandschutz der Bestandsschutz seine Grenzen hat. Bei verschiedenen vor-Ort-Terminen gab es dazu hier mit Brandschutzsachverständigen und Bauaufsichtsamt keine klaren Ausagen dazu.

 

Konkret wird momentan behauptet, unsere Acella Wandbespannung sei nie abgenommen worden und könne schon von daher keinen Bestandsschutz haben. Bei einem Kino mit Baudatum 1957 hat man da aber natürlich ein Nachweisproblem. Ist uns auch nicht ganz klar, wieso das unter diesen Umständen unser Versagen (bzw. das des Erbauers) sein soll, schließlich ist die Abnahme ja Sache der Aufsichtsbehörden und hätte in über 50 Jahren ja einfach mal erfolgen können. Ausserdem ist Acella ja de-facto-Standard im Kinobau der 50er und 60er Jahre gewesen.

 

 

Im Grunde wäre ein Wechsel der Wandbespannung kein Drama, es hätte ggfs. sogar einige Vorteile. Nur sind wir halt denkmalgeschützt und historische, authentische Materialien gibt man nicht so gerne auf.

 

 

- Carsten

Geschrieben

Wir hatten in unserem Haus auch eine Acella-Wandbespannung, übrigens auch aus dem Jahre 57. Da diese aber eh kaputt und schmuddelig war, haben wir gegen eine schwer entflammbare Stoff-Wandbespannung in gleicher Farbe getauscht. Dabei mussten wir feststellen, dass auch die Decke den heutigen Bestimmungen nicht standhalten konnte. Auch diese musste mit Brandschutzplatten belegt werden. Gilt evtl. bei Euch auch zu überprüfen. Falls Ihr Räume über dem Saal habt: F90, sonst F60. Angaben natürlich ohne Gewähr, ich würde auf jeden Fall das Baurechtsamt Eurer Stadt konsultieren...

Geschrieben

Naja, das Bauaufsichtsamt hat UNS konsultiert, das ist ja das Problem ;-)

(Räume über dem Saal gibt es keine, da ist nur eine Zwischendecke zum Dach. Die haben wir auch selbst angesprochen, aber da gab es bisher wohl keine Bedenken).

 

Nun habe ich eben mit einem Mitarbeiter der Deutsche Theaterbau telefoniert. Der sagte mir, dass aus seiner Erfahrung mit zahlreichen Renovierungen von Kinos in den 50er Jahren wohl grundsätzlich keine besonderen Brandschutzauflagen bezüglich Wandbespannungen gegolten haben. Nur so lässt sich ja auch erklären, dass damals massenhaft Acella verwendet wurde (auch bei Sitzbezügen übrigens). Daraus folgt für ihn, dass es damals auch keine Abnahmeauflagen für diese Materialen gab. Es kann also sein, dass die fehlende Abnahme unserer Wandbespannung überhaupt kein Mangel ist, sondern damals üblich war und den Auflagen genügte. Und dass spätere Mitarbeiter der Bauaufsicht schlicht die damalige Vorschriftenlage, aufgrund derer Bestandsschutz erwachsen kann, garnicht berücksichtigt haben bzw. kannten. Das Kino war nie ausser Betrieb.

 

Anders ist jedenfalls auch schwer vorstellbar, dass es bei einem Neubau dieser Größe und Bedeutung in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verwaltungssitz/Rathaus, 30 Jahre lang keine Abnahme ausgerechnet der Wandbespannung gegeben haben soll.

 

 

Das wäre natürlich der für uns günstigste Ausgang der Geschichte.

 

Weiss jemand, welches Regelwerk 1957 gegolten hat? Ich finde verschiedentlich den Hinweis, dass in einer Neu-Fassung der Versammlungsstättenverordnung von 1969 einige kinospezifische Auflagen, herrührend aus der vormaligen Verwendung von Nitrofilm, aufgegeben wurden. Jemand sagte mir aber, dass diese Vorschriften sich fast ausschließlich auf den BWR bezogen haben.

 

Welches war also die vor 1969 gültige Fassung, jemand ne Idee, wie man da rankommt?

 

 

 

Gerade auch vor dem Hintergrund des furchtbaren Unglücks in Brasilien: Es geht uns nicht darum, auf Gedeih und Verderb um Brandschutzauflagen herum zu kommen, wir wollen nicht aus finanziellen Gründen die Sicherheit unseres Publikums gefährden. Aber wir sind nunmal denkmalgeschützt und würden die historische Substanz und Optik unseres großen Saales halt gerne erhalten. Und ganz offensichtlich IST Acella ein ausgesprochen bauarttypisches Material.

 

http://www.google.de...0ConYtAbH6IDQAw

 

Wir haben durch eigene Versuche festgestellt, dass das Material selbstverlöschend ist. Ausserdem haben wir durchgängig 8m Saalhöhe. Wir haben unsere Sitzplatzanzahl gegenüber dem Originalzustand um 15% reduziert und folglich auch eine Überausstattung an Notausgängen. Ich halte die Gefahr, die von dieser Wandbespannung ausgeht für sehr gering.

 

- Carsten

Geschrieben

Also wie es aussieht galt in den 50er Jahren eine Theaterverordnung in der letzten Fassung von 1944, entstanden aus verschiedenen Verordnungsänderungen und basierend auf der Polizeiverordnung 1909. Ausserdem gab es seit 1951 eine DIN 18600, die vermutlich ohne gesetzliche Grundlage quasi verpflichtend war.

 

Faktisch ist die Versammlungsstättenverordnung NRW von 1969 wohl die erste 'richtige' Fassung. Das deckt sich auch mit verschiedenen Erwähnungen, dass mit Beginn der 70er Jahre flammhemmende Materialien in Kinos eingesetzt werden mussten. Da gibt es einen interessanten kurzen autobiographischen Bericht von einem damaligen Vorführer im Kölner Weisshauskino, der beschreibt, dass das Kino 1974 kurzzeitig geschlossen wurde, und erst wiedereröffnen konnte, nachdem es die dann seit 1969 geltenden Brandschutzauflagen erfüllte, explizit werden imprägnierte Wandbespannungen erwähnt. Daraus kann man im Grunde schon folgern, dass es vorher keine solchen Auflagen gab.

 

http://www.koeln-im-...n-Interview.pdf

 

 

- Carsten

Geschrieben

WAndbespannungen müssen schwer entflammbar und selbstverlöschend sein. Wenn sie brennen, dürfen sie nur nichttropfend abbrennen. Tropfen von brennendem Plastik führen zu schweren Verbrennungen auf der Haut, sehr unangenehm und schmerzhaft.

Acella ist ein PVC, im prinzip daher selbstverlöschen. Nur noch etwas, PVC erzeugt, wenn es brennt giftigen Rauch und Säuredämpfe (HCL).

Zulässig wird das heute nicht mehr sein.

Im Rahmen einer Sachverständigentagung an der ich 2012 teilnahm, gab es aus aktuellem Anlaß eine Fortbildung in Sachen baulicher Brandschutz. Hängen geblieben ist mir der Satz "Brandschutz kennt keinen Bestandsschutz", im Sinne der ausführenden Industrie sicher richtig.

 

195X galt tatsächlich die beschriebene "Polizeiverordnung", die Wandbekleidungen nicht explizit regelt. Nur, PVC war 194X bei Folien noch nicht richtig verbreitet, man bediente sich schwer entflammbarer Stoffe wie Wolle und Mohairvelour, auf Unterkonstruktionen aus Holzwolle Zementbauplatten, beides schwerentflammbar, oder nicht brennend und in keinem Falle tropfend.

Denkmalschutz hat dort seine Grenzen, wo er wirtschaftlich zum Hindernis wird, und in Eurem Falle wird sicher gegen eine schöne, den Stil erhaltende Erneuerung niemand Einwende erheben.

 

Wenn schon Auflagen gemacht werden, dann bitte für alle Marktteilnehmer gleich, und nicht nur gegen Einzelne.

 

St.

Geschrieben

Nach allem, was ich dazu bisher gefunden habe, gibt es tatsächlich grundsätzlich noch Bestandsschutz auch beim Brandschutz - allerdings wird der da ausgehebelt und führt zur Nachrüstungspflicht, wo die zuständigen Brandschutzsachverständigen eine konkrete Gefahr festmachen können.

 

Das ist freilich keine präzise Festlegung und hängt dann vom jeweiligen Fachmann ab. Soweit das unter Umständen passiert, wo dieser Fachmann ggfs. seinen Kopf hinhalten muss, wird er die konkrete Gefährdung natürlich entsprechend niedriger hängen. Allerdings kann man das diskutieren.

 

Für die Feststellung der Gefährdung gibt es sogar eine Kategorisierung - die zwar keine Rechtsnorm ist, aber sicher den damit Beschäftigten Anhaltspunkte liefert:

 

 

http://die-bausv.de/...-2007-Brand.pdf

 

Auf gut Deutsch - ZWINGEND nachgerüstet werden muss nicht, man muss/kann kooperativ mit den zuständigen Sachverständigen drüber verhandeln. Eventuell können einige negative Komponenten des Ist-Zustandes über ausgleichende Maßnahmen in anderen Bereichen kompensiert werden - Brandschutzpläne, etc.

 

Absolute Nachrüstpflicht gibt es bei Sonderbauten ab 5000 Besuchern Fassungsvermögen. Die müssen IMMER und grundsätzlich dem aktuellen Stand entsprechen.

 

 

- Carsten

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