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Vermutungen/Ferndiagnosen/Betrachtungen zu HAMLET


cinerama

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Nur um a jour zu bleiben: Lese ich das zwischen den Zeilen richtig, dass es von SEVEN BRIDES ... (auch) EA-Kopien auf Ansco Color Positive gab? Frage deshalb, weil MGM 1953 (und vermutlich 1954 nicht anders) die überwiegende Zahl seiner Titel bei Technicolor drucken ließ. Haines rubriziert die SEVEN BRIDES ... in dieser Kategorie. (Übrigens dürfte noch nicht einmal sicher sein, dass die Ansco Negative bei Metrocolor entwickelt wurden; Technicolor war in gleicher Weise für den Ansco-Negativprozess eingerichtet.)

 

Fred E. Basten listet in seinem Buch GLORIOUS TECHNICOLOR für 1953 über 20 MGM Titel auf, die bei Technicolor kopiert worden sind und für 1954 nur noch 4 Titel. SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS findet sich nicht unter den genannten Titeln.

 

MGM Laboratories waren zu dieser Zeit bestens für den ANSCO Negativ/Positiv Prozess gerüstet und die Kopiermaschinen u.a. mit einer speziellen für ANSCO modifizierten Licht- und Filtersteuerung versehen.(#1) Es ist unwahrscheinlich anzunehmen, dass MGM dann diese Anlagen nicht umfänglich nutzte. Dafür spricht ja dann auch die o.a. Abnahme der Technicolor Kopierung in 1954 durch Technicolor.

 

Barbara Flückiger listet SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS auch unter den Titeln, die den ANSCO Negativ/Positiv Prozess nutzten.

http://zauberklang.c...line-entry/1313

 

Auch die Aussage von Richard P. May (#2), der in der Mitte der 90er Jahre für TURNER neue Kopie(n) von SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS herstellen ließ und sagte, dass das CinemaScope Originalnegativ in einem schlechten Zustand sei und nach seinen Recherche über 400 Kopierdurchläufe hinter sich hatte, spricht gegen Technicolor Kopien für diesen Film, da für die Technicolor Kopierung ja das Original Negativ nicht genutzt wird.

 

Der 70mm Blow-up Kopie von SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS sah man den schlechten Zustand des Negatives an. Kann scans der betreffenden Stellen in der Kopie bei Bedarf zu Verfügung stellen.

 

(#1) ... laut Bericht in einem zeitgenössischen SMPTE Journal Beitrag. Erst vor kurzem gelesen, aber gerade nicht zur Hand.

 

(#2) ... laut einer Turner Pressemitteilung. Gerade nicht greifbar, wird nachgereicht.

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Dann hat sich der hochgeschätzte Haines an dieser Stelle offenbar geirrt ... (wobei mich am meisten die hohe Zahl der Kopierdurchläufe überzeugt ... )

 

N.B.: Barbara Flückiger wollte ich, danke für den Hinweis, schon seit einiger Zeit anschreiben, weil ihre Liste zu Ansco Color Negativ-Positiv (wohl wesentlich beeinflusst von Ryan, der sich auf einen Artikel der Variety bezieht) noch etwas nachbearbeitungsbedürftig ist: KISS ME KATE, LONG LONG TRAILER und ARENA gehören da definitiv nicht hinein, weil - laut seinerzeitiger Auskunft des technischen Direktors von Ansco, Herman(n) H. Duerr - zwar auf Ansco Color Negative gedreht, aber bei Technicolor gedruckt. Leider ist die Originalquelle, The British Journal of Photography vom 15. Januar 1954, schwer greifbar, und ich will mir nicht schon wieder von der Staatsbibliothek erzählen lassen, dass der Kopierservice nur Aufsätze umfasst, die vor 1920 erschienen sind. Gert Koshofer zitiert Duerr aber (mindestens) zweimal, einmal in Color - Die Farben des Films und zum anderen in seiner langen Serie im fernseh- + filmtechnikum (damals unter dem Pseudonym Robert Koziol erschienen). Vielleicht kann sich ja der wissenschaftliche staff in Zürich um die Beschaffung der Originalquelle bemühen ...

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KISS ME KATE, LONG LONG TRAILER und ARENA gehören da definitiv nicht hinein, weil - laut seinerzeitiger Auskunft des technischen Direktors von Ansco, Herman(n) H. Duerr - zwar auf Ansco Color Negative gedreht, aber bei Technicolor gedruckt.

 

Zumindest KISS ME KATE steht auch in GLORIOUS TECHNICOLOR von Basten als Technicolor Kopierung. Die beiden anderen genannten Titel prüfe ich heute abend mal nach.

 

Der von mir o.e. Beitrag ("The Ansco Color Negative-Postive Process") im SMPTE Journal zeichnet als Autor auch Herman H. Duerr. Habe den Artikel mittlerweile gefunden und kann diesen bei Bedarf als scan zu Verfügung stellen. Erbitte dann PN.

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Dank für das Angebot! Der Duerr (1952) steht auch frei im Internet,

 

http://archive.org/s...e/n473/mode/2up

 

Und The British Journal of Photography ist auch in Zürich vorhanden - bisher hat mir doch subito von dort alles besorgen können ... mal sehen ... (ich würde eben doch gerne erstmal die Originalquelle sehen, bevor ich Barbara Flückiger schreibe ... )

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Update: Die ETH Zürich hat gerade bestätigt, dass dort jemand zum Kopierer gegangen ist und den fraglichen Artikel kopiert hat. (Ein Hoch auf das Internet-Zeitalter! Vor allem - das nenne ich Service!) Zwei Tage Geduld, dann wissen wir, was Sache ist (aus der Schweiz werden die kopierten Dokumente nur per Post geliefert).

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Update: Hier die Aussage von Richard P. May (zu dieser Zeit: Vice-President, Preservation und Distribution Services, Turner Entertainment)

 

"It's too bad, but the original negative of SEVEN BRIDES had very heavy use when first released. Being shot in CinemaScope and on Ansco Color film, it was before good quality intermedate film had been introduced, allowing a duplicate negative to be made for printing instead of using the original. It was generally said that about 400 prints were made from this element.

Ansco had very saturated color, but also was grainy. Due to the heavy use, replacement sections were cut into the negative, especially at the ends of several reels.

A good digital restoration can do much for this film.

I supervised preservation/restoration of SEVEN BRIDES for Turner Entertainment in the mid-1990s. Everything that could be done at that time was done by expert lab technicians, but the physical damage and inherent look of the Ansco negative couldn't be improved on back then."

 

Quelle: http://www.nitratevi...pic.php?p=55456

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Nun also Duerr (1954). Kein Artikel, sondern ein "Letter to the Editor" - die Replik auf einen Korrespondentenbericht aus Hollywood (vom Oktober 1953), der die Vermutung enthält, MGM würde nach den ersten beiden auf Ansco Negative gedrehten Filmen zu anderem Farbmaterial überwechseln - wegen allzu enttäuschender Ergebnisse. Nein, schreibt Duerr (der als "Technical Director, Ansco, Binghampton, New York" zeichnet), MGM habe weitere acht Filme auf Ansco Negative abgedreht und drei weitere in der Produktion. Und offenbart bei dieser Gelegenheit, dass nur vier Titel im Ansco Negative-Positive Verfahren vorliegen - bei den anderen sechs Titeln seien die Verleihkopien bei Technicolor gedruckt worden. Seine Übersicht:

 

THE WILD NORTH - Ansco Color Positive

RIDE VAQUERO - Ansco Color Positive

ARENA (3D) - Technicolor

TAKE THE HIGH GROUND - Ansco Color Positive

ESCAPE FROM FORT BRAVO - Ansco Color Positive

GYPSY COLT - Technicolor

MISS BAKER'S DOZEN - Technicolor

THE LONG, LONG TRAILER - Technicolor

TENNESSEE CHAMP - Technicolor

KISS ME KATE (3D und 2D) - Technicolor.

 

Die drei weiteren Titel, die aktuell auf Ansco Negative gedreht würden, seien

 

A BRIDE FOR SEVEN BROTHERS (interessant, dass dies der Arbeitstitel war - den die deutsche Fassung dann auch übernommen hat)

BRIGADOON

THE STUDENT PRINCE.

 

Ob diese drei in Technicolor oder auf Ansco Color Positive herausgebracht würden, hinge von der Verfügbarkeit der Kopierwerks-Kapazitäten zu dem Zeitpunkt der Kopienherstellung ab (" ... will depend on the availability of laboratory facilities when the time for release printing arrives").

 

Was mich, wenn überhaupt, so ein klein wenig irritiert, ist der Umstand, dass Koshofer - interpretiere ich da zuviel in seinen Text hinein? - diese Geschichte mit Verschwörermiene erzählt; haben wir sie doch erwischt, sie schreiben Ansco Color drauf, und es ist keineswegs immer Ansco Color drin. Aber wenn man sich mal die Trailer anschaut, soweit sie bei YouTube stehen, dann sind die fraglichen Technicolor-Kopien zutreffend credited als "Color by Ansco - prints by Technicolor". Soweit keine Zweifel möglich. Übrigens: bei BRIGADOON und SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS gibt es diesen Zusatz nicht - auch dies ein starkes Indiz, dass die EA tatsächlich im Ansco Negative-Positive Prozess hergestellt wurden.

 

Falls nochmal jemand das Original sucht: Letters to the Editor, "Feature Films on Ansco Color", The British Journal of Photography, January 15, 1954, S. 33.

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  • 3 Monate später...

Inzwischen habe ich zum Thema HAMLET noch etwas recherchiert - hier meine letztes Wort zu dem Thema:

 

I.

Für einen Film dieser Laufzeit und Komplexität hatte HAMLET eine äußerst knapp kalkulierte Drehzeit. Branaghs Entscheidung, auch kleinste Rollen mit bekannten Stars zu besetzen, hat sicher zusätzlichen Termindruck durch vorherige oder anschließende Verpflichtungen erzeugt.

 

II.

Wenn man Stars, ein ungekürztes Stück, einen engen Zeitplan, ein mäßiges Budget, 65mm-Format und aufwendige Drehorte unter einen Hut bringen will, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit, es muß nämlich irgendwo gespart werden. Das ist bei Branaghs Film geschehen, und zwar wurde an der Zeit gespart, die es kostet, eine erstklassige Ausleuchtung und Szenenauflösung durchzuführen.

 

Wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird dem damaligen American-Cinematographer-Artikel entnehmen, daß Kameramann Alex Thomson die gestellte Aufgabe, nämlich einen Film mit so vielen Setups pro Drehtag in so kurzer Zeit zu drehen und auszuleuchten, nur auf eine Weise lösen konnte:

Er wählte für die meisten Sets ein diffuses, also weiches Overhead-Licht, das für die meisten Kamerasetups funktionieren würde. Auch die zahlreichen Fahrten konnten so ohne oder mit wenig Umleuchterei gedreht werden. Diese Technik kommt ursprünglich aus der Werbefotografie und war in den 1970er Jahren beliebt, ich nenne mal Ridley Scotts THE DUELISTS als Beispiel.

 

Eine dramatische Fotografie, wie sie der Filmversion eines Theaterstücks und auch der von Branagh angestrebten Stilisierung angemessen wäre, ist so nicht zu machen. Wie gut die klassische Ausleuchtung zu Shakespeare paßt, sieht man an Laurence Oliviers HENRY V. und Orson Welles' CHIMES AT MIDNIGHT (Falstaff), die auch heutiges Publikum (ein Minimum von Interesse am Stoff vorausgesetzt) in ihren Bann schlagen können.

 

Die zu flache Schärfentiefe und das sinnlose Schneiden zwischen Einstellungsgrößen, die dem epischen Charakter entgegenwirken, lenken von den schauspielerischen Leistungen eher ab als das sie diese unterstützen. Der große Shakespeare-Interpret vertraut im Grunde weder der Kraft des Stoffes noch seinen Darstellern, und er ist unfähig, starke Bilder zu finden, die über eine 1:1-Bebilderung des Gesprochenen hinausgehen. Eine räumliche, dreidimensional wirkende Inszenierung, für deren Darstellung das 70-mm-Format prädestiniert ist, findet nicht statt.

 

Den Film Einstellung für Einstellung perfekt auszuleuchten, hätte vermutlich doppelt so lange gedauert, und das Budget hätte Branagh mit einem - für normale Kinogänger - so exotischen Stoff einfach nicht bekommen.

 

III.

Ein überdurchschnittlicher Filmregisseur hätte mit langen, präzise choreografierten Plansequenzen das dilemma auflösen können. Branagh, der vermutlich ein befähigter Theaterregisseur ist, hat seit seinen ersten Filmen inszenatorisch nichts mehr dazugelernt und fällt auf eine unbeholfene Bildsprache zurück, die man schon aus seinem mißglückten FRANKENSTEIN-Film kennt. Viele Schnitte, konzeptloses Nebeneinander von weitwinkeligen Übersichtsaufnahmen mit flach fotografierten Nah- und Großaufnahmen, die durch einen nahezu fernsehmäßig einfallslosen Schnitt zusammengefügt werden, kennzeichen den Stil.

 

Vermutlich aus Angst, den Zuschauer bei der vierstündigen Komplettversion zu verlieren, greift Branagh zu den üblichen Mätzchen des internationalen Kamera-Einheitsbreis, der sich in sinnlosen Umfahrten, Dollybewegungen und Schärfeverlagerungen gefällt. Er übersieht dabei, daß jemand, der an HAMLET prinzipiell kein Interesse hat, auch durch diese vermeintliche Dynamisierung der Kamera nicht gefesselt sein wird. Die unsaubere Ausführung vieler Kamerafahrten (Nachwippen des luftbereiften Dolly, ruckhaftes Anfahren und Abbremsen auch bei etlichen Schienenfahrten) deutet auch auf hastiges Drehen hin.

 

Es gibt andere Methoden, Shakespeares Stücke zu verfilmen. Franco Zeffirellis ROMEO AND JULIET von 1968 (Kamera: Pasqualino De Santis) ist ein gelungenes Beispiel dafür, denn eine sinnvoll bewegte Kamera kann den Zuschauer sehr wohl hineinziehen und fesseln - wenn man es kann. FZ kann es, KB eben nicht.

 

IV.

Wie bereits in FRANKENSTEIN erweist sich Branagh als sein eigener schlechtester Darsteller, wie im genannten Film mimt er auch in HAMLET den körperlich aufgedrehten Hyperaktiven, um den eine besinnungslose Kamera herumkreiselt. Branagh maß seine 65-mm-Kameras und viele Kilometer Film bewegt haben - seinen Zuschauer bewegt er nicht.

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Mitnichten die obere Betrachtung entkräftigend, hier nur eine kurze Verlinkung zu Zefirellis HAMLET:

Nicht unbedingt das, was sich das anspruchsvolle Liebhaber unter dem Stoff vorstellt. Teils liefern sich auch dort selbstzweckhaft eingesetzte Reissschwenks eine fröhliche Montage mit verflachter Schärfentiefe und doch etwas amteurhaft aussehender Kadrierung, oder?

Eine gefühlvolle Musik und eine blutjunge Olivia Hussey markieren zwar den Anspruch, einen Kassenerfolg zu erzielen. Aber der Versuch Branags, den Stoff ins 19. Jahrhundert (in etwas steril wirkende neoklassizistische Interieurs) zu verlegen, ist bemüht, sich von Kunstgewerbe und Kitsch fernzuhalten. Zeffirelli ist es m.E. nicht ganz gelungen.

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