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Geschrieben (bearbeitet)
Hallo,
ich möchte gerne Eure Meinungen zu einem aktuellen Disput in unserem Kino einholen.
Vorgestellt im Forum hatte ich uns im Juli 2013.
www.filmvorfuehrer.de/topic/17533-hilfe-digitalsierung-kinvoerein
Wir sind ein seit 22 Jahren ehrenamtlich geführtes, gemeinnütziges, ungefördertes Kino auf Vereinsbasis mit ca. 40 Plätzen.
Hier kann man Fotos vom Kino sehen: www.kino-achteinhalb.de/event/674
Einlass, Kasse, Theke, Technik und Kinosaal befinden sich in einem 90 qm Raum.
CarstenK, der bei uns die Digitalisierung durchgeführt hat,  kennt unser Kino bestens.
 
Wir hatten die meiste Zeit nur einen Projektor, was bei 35mm eine Filmpause bedingte.
Die etwa 15-minütige  Filmpause ist für unser Kino identitätsbildend geworden.
Das Publikum unterhält sich, man geht zur Theke und kommt mit anderen ins Gespräch.
Unser Publikum erwartet von uns eine Pause. Dennoch empfinde ich die willkürliche Wahl einer Filmpause immer als
heikel und als etwas Kritisches.
Bei 35mm fiel die Pause immer auf Aktende, meistens nach dem dritten Akt.
Wobei das Ende eines Aktes in der Regel das Ende eines in sich geschlossenen Abschnitts einer Handlung markierte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Akt_(Film)
Bei DCP muss man die Entscheidung für einen geeigneten Moment für eine Pause selbst treffen.
Ich suche dafür immer einen Szenenwechsel aus, einen Filmschnitt und mache das nie mitten im Dialog oder einer Handlungsfolge.
Unser heutiger Filmvorführer hat die Pause bei "Wilde Maus" mitten in eine Szene gelegt als die Ehefrau auf den Jahrmarkt ging und sich ein
kostümierter Mann umdreht und sie dann in ihm ihren Ehemann erkannte.
Also in einem Spannungsmoment, so ne Art Cliffhanger.
https://de.wikipedia.org/wiki/Cliffhanger
Er meinte, dass sei genau der richtige Moment für eine Pause gewesen und ich reagiere dogmatisch, wenn ich das kritisiere.
Ich hinggegen sagte, das sei eine Art Pause, wie man sie aus TV-Serien her kenne, die aber im Kino nichts zu suchen habe.
Ich unterscheide noch zwischen Kinoästhetik und TV-Ästhetik. Viele wissen aber kaum was damit anzufangen, wenn ich - vor allem deutschen Kinofilmen - TV-Format attestiere. Es kommt durchaus vor, dass die Leute im Grunde ihres Herzens TV-Formate im Kino mehr mögen, da vertrauter als richtiges Kino.
 
Sehe ich das zu dogmatisch oder ist das, was dort gemacht worden ist, einfach unprofessionell?
Sollte die Resonanz entsprechend ausfallen, würde ich auch meine Meinung zu diesem Streitpunkt ändern.
 

Stefan

Bearbeitet von achteinhalb
Link ki (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Eigentlich sollte die Überschrift lauten "versus" statt "oder" - also TV-Pause versus Kinopause.

Eine Besucherin mailte mir heute dazu folgendes:
"Man geht mit einer anderen Ruhe in die Pause, wenn nicht direkt im Spannungsmoment unterbrochen wird. Im Fernsehen zielt dies ja darauf ab, dass man in sich Spannung aufbaut und dann nicht weiterzappt, sondern schnell das Ende der Pause erhofft. Wenn der Sinn der Pause jedoch sein soll, sich zu erleichtern/zu versorgen oder vor allem mit anderen kurz über den bisherigen Film auszutauschen, dann ist es tatsächlich sinnvoller, wenn man den Eindruck hat, ein Abschnitt sei gerade abgeschlossen. Ich erinnere mich da an die Pause in „Frantz“, die z.B. sehr gut gesetzt war. Aber wahrscheinlich verfügen nur wenige Zuschauer über ein solches Maß an Introspektion, um diese Unterschiede zu merken.
Introspektion

Geschrieben (bearbeitet)

Sie sieht das ja vor allem aus einer Rezeptionsperspektive, eine vollkommene berechtigte Zuschauerperspektive und vermutlich letztlich die grundlegende für alle anderen Sichtweisen auf diesen Gegenstand.

Ich schrieb ja mehr aus einer fachlichen, einer Kinoperspektive (Kinotradition, Kinoästhetik versus TV-Ästhetik).

Aus Sicht eines Kinobetreibers sollte die Filmpause m. E. Gegenstand einer fachlichen Betrachtung  und damit einer argumentativen Auseinandersetzung zugänglich sein und nicht zum Gegenstand von diskussionslosen persönlichen Vorlieben degradiert werden.

So sehr die Filmpause zu unseren Veranstaltungen gehört und von unserem Stammpublikum auch erwartet wird, so sehe ich sie auch immer wieder kritisch. Es gab einige wenige Filme, wo ich auf sie verzichtet habe, weil ich sie als unpassend und als das Filmerlebnis massiv unterbrechend empfand. Außerdem finde ich sie immer wieder heikel und frage mich bei neuem Publikum zuweilen, wie die das wohl empfinden mögen.

Wir sind in Deutschland das einzig mir bekannte Kino, das grundsätzlich eine Filmpause macht. Andere Kinos machen das bei Filmen mit

Überlänge - vor allem als Pinkelpause gedacht und vielleicht auch mit Blick auf den zusätzlichen Konsum in der Pause, der bei uns nicht das Motiv darstellt.
Was ich im Internet dazu finde, sind vor allem Beiträge von Kritikern der Pause - wobei die dort erlebten Pausen bei weitem nicht den kommunikativen Charakter haben wie in unserem kleinen Kinoraum.

http://www.ohitsanico.de/wie-kinos-ticken-pausen-im-kino
http://www.uci-kinowelt.de/frage/warum-werden-filme-mit-einer-laufzeit-von-mehr-als-130-minuten-mit-pause-gezeigt/32

http://cinefacts-forum.kino.de/34568-kinopause-notwendiges-aoebel.html
https://www.amazon.de/forum/dvd?_encoding=UTF8&cdForum=Fx385C2NBODXBPJ&cdThread=Tx1QUL3QKUBR8VZ

 

In der Schweiz und in der Türkei stehen Kinopausen wohl an der Tagesordnung:

https://www.ronorp.net/zuerich/stadtgespraech/forum-archiv/stadtgespraech.23/filmunterbrechungen-werbepausen-im-kino.29912
http://www.gutefrage.net/frage/pausen-im-kino

Bearbeitet von achteinhalb
Rechtschreibkorrektur (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Die meisten hier werden diese Art der Vorführung sicher grundsätzlich ablehnen. Ich bin auch der Meinung, dass Cliffhanger eher ungeeignet sind. Fürs Fernsehen wird sowas ja absichtlich produziert, in Kinofilmen dürfte es ohnehin wenige solcher Szenenübergänge geben. Da bin ich eher für einen sauberen Szenenabschluss in die Pause hinein.

 

- Carsten

Geschrieben (bearbeitet)
Am 6.5.2017 um 09:19 schrieb achteinhalb:

Aus Sicht eines Kinobetreibers sollte die Filmpause m. E. Gegenstand einer fachlichen Betrachtung  und damit einer argumentativen Auseinandersetzung zugänglich sein und nicht zum Gegenstand von diskussionslosen persönlichen Vorlieben degradiert werden.

 

Eben. Und da ist es halt so, dass die Pause in einem Film ästhetisch nicht vorgesehen ist. Daher macht man auch keine.

Ausnahme sind natürlich Filme, bei denen eine Pause vorgesehen ist - da ist das dann aber eine ästhetische Entscheidung des Autors.

 

Auch nach Erfahrung damit aus der Schweiz ist die Pause für mich ein absolutes Unding.

Du treibst die Leute damit vor den Fernseher - eben weil Du ihnen die Chance stiehlst, sich mal zwei Stunden ungestört auf das Sujet einzulassen.

 

Ich glaub schon, dass Euer Publikum das beste draus macht - aber das kann kein Argument sein.

Also - Flucht nach vorn und dem Publikum erklären. Die können (und werden) auch danach über den Film diskutieren.

Bearbeitet von macplanet (Änderungen anzeigen)
Geschrieben (bearbeitet)

@ macplanet
Ich gebe Dir Recht, und so wie Du werden es sicherlich die meisten Deiner Kollegen in diesem Forum sehen, dass eine Filmpause in einem Kinofilm sich filmästhetisch grundsätzlich mit richtigem Kino beißt.

Bei uns im achteinhalb ist das historisch gewachsen, da wir nur einen 35mm-Projektor im 1800m-Spulenbetrieb hatten und so spätestens nach 3 Akten (Filmrollen) aus technischen Gründen eine Filmpause machen mussten. Die Meopta konnte auch nicht mehr als 1800m, Platz für einen Langlaufbetrieb mittels Spulenturm oder Filmteller oder für einen Überblendbetrieb mittels zweitem Projektor hatten wir nicht..
Hier der Link auf den Thread in diesem Forum zum Thema Akte/DCP:

Unsere Filmpause war also nicht kommerziell (Verzehr) oder als Pinkelpause motiviert, sondern rein technisch. Aufgrund unserer räumlichen Situation - alles (Projektor hinter Glas, Einlass, Garderobe, Theke, Kinosessel) auf 90 qm, hat die Pause bei uns eine kommunikative Qualität gewonnen, die unser Publikum auch ausdrücklich wünscht.

Dass dabei auch die Rotweingläser aufgefüllt werden und unser Publikum im Lauf der Jahre die Pause zunehmend für einen Toilettengang nutzt sind Nebeneffekte der Pause.

Kommerziell ist das Ganze nicht ausgelegt: Eintritt 5 Euro, Cola/Bionade 1,50, Bier 2 Euro, Glas Rotwein 3 Euro.

Daher gehört die Filmpause bei uns dazu, zumindest am Wochenende. Dass die Filmpause kritisch ist und bleibt, räume ich ein. Oft findet man nicht die geeignete Stelle, verpeilt oder verpennt sie oder es gibt einfach keine Stelle, die sich anbietet. Es gibt auch ne Handvoll Filme, da bringe ich es nicht übers Herz einfach willkürlich mit ner Pause zu unterbrechen und lasse es durchlaufen. Es ist da bei uns halt die Aufmerksamkeit, Kompetenz, Sensibilität und Verantwortlichkeit des Filmvorführers gefragt.
Wir haben im Kinosaal einen Pausenschalter für den Doremi, so dass der Filmvorführer den Film mitverfolgen kann, bis er die Entscheidung trifft und den Schalter drückt.

 

Neu ist halt bei uns und das war das, was ich hier zu Diskussion stellen wollte, dass nach 22 Jahren Filmpause am Ende eines Aktes, eine Pause in Art und Kultur (m. E. TV-Kultur) eines Cliffhangers mitten in der Szene innerhalb eines Spannungsbogens von einem unserer Filmvorführer preferiert wird oder zumindest als gleichwertig/gleichberechtigt zur Pause bei Aktende gesehen wird.
Also, wenn schon Filmpause wie bei uns, welches Argument gäbe es für eine Pause mitten in der Szene, mitten im Spannungsbogen?
Hier wird ja de facto gesagt: Filmpause im Kinobetrieb in Form eines Cliffhangers ist genau so akzeptabel oder inakzeptabel wie eine Pause am Aktende - und das bestreite ich. Ich meine, wenn schon Filmpause im Kino (nicht TV), dann am Aktende und auf keinen Fall als Cliffhanger.
Diese meine Einstellung wurde als dogmatisch bezeichnet.

Selbst wenn man zu Hause ne BluRay sieht und auf Toilette muss, würde niemand auf die Idee kommen, die Pausentaste mitten in einem Spannungsbogen zu drücken, sondern sich das Pinkeln verkneifen, bis die Szene sich wieder entspannt.

Jemand aus dem Publikum, der diesen Disput am Freitagabend im Kino mitbekam, schrieb mir gestern als Analogie - als Vergleich zum Kino:

Dass in einem klassischen Orchester niemand auf die Idee käme, eine Pause mitten im Akt zu machen - dass das dort vollkommen undenkbar wäre, so wie es im Kino aus filmästhetischen Gründen vollkommen undenkbar sein sollte, eine Pause mitten im Akt (einer Handlungsabfolge) zu machen.

 

Ich sehe zwei Perpektiven auf die Filmpause: Eine aus filmästhetischer Sicht und eine aus Sicht der Rezipienten im Kinosaal, also die eines heterogenen Publikums.

 

Bearbeitet von achteinhalb
Zeilenumbrüche korrigiert (Änderungen anzeigen)
Geschrieben
vor 11 Stunden schrieb achteinhalb:

 

Also, wenn schon Filmpause wie bei uns, welches Argument gäbe es für eine Pause mitten in der Szene, mitten im Spannungsbogen?

Hier wird ja de facto gesagt: Filmpause im Kinobetrieb in Form eines Cliffhangers ist genau so akzeptabel oder inakzeptabel wie eine Pause am Aktende - und das bestreite ich. Ich meine, wenn schon Filmpause im Kino (nicht TV), dann am Aktende und auf keinen Fall als Cliffhanger.

 

Mir kommen gerade Zweifel, ob Du weißt, was ein Cliffhanger ist. Der findet nicht mitten in einem Dialogsatz statt oder so.

Du wirst auch in fast keinem Kinofilm einen finden - weil halt keiner da ist.

 

Lasst die Pause einfach weg. Ich verspreche Dir, dass das Publikum das in der übergroßen Mehrheit verstehen und bevorzugen wird. (Es sei denn, Ihr habt eine Rehaklinik für Leute mit Blasenproblemen als Haupt-Zielgruppe). Wenn Du hören willst, dass es besser und schlechter geeignete Stellen im Film gibt - ja, natürlich, auf eine sehr triviale Art und Weise. Aber sie sind halt schlecht und extrem schlecht geeignet.

 

Ich wiederhole mich noch mal: Mit Pausen im Film treibst Du das Publikum vor den Fernseher.

Macht aus der Not eine Tugend, erklärt, warum es früher Pausen gab und warum Ihr jetzt meint, dass man sich in einem Kino einen Film am besten ohne Störung anschaut.

Geschrieben

Hallöchen in die Runde!

Als Filmemacherin und als Filmwissenschaftlerin (und: Schweizer Kinogängerin!), möchte ich mich in dieser Diskussion klar der vielleicht dogmatischen aber im Sinne der Filmkunst hehren Haltung des Kino achteinhalb anschließen.

Jeder Film hat ja bekanntlich eine (im besten Falle) in sich kohärente Dramaturgie. Das hat auch jede Szene. Das heißt, wenn man einen Film schreibt und später schneidet, hat jede Szene eine ihr innewohnende Dramaturgie und einen Bogen, den sie schlägt – aus der vorherigen Szene kommend und zur nächsten führend. Sei es auf einer rein narrativen Ebene oder auf einer emotionalen oder beides. Das Gefüge der Szenen wiederum ergibt dann den großen Bogen des Films – egal wie klassisch oder modern oder elliptisch die Dramaturgie sein mag.

 

Wenn man nun als Vorführende Person oder als Sender beschließt,  mitten in einer Szene einen Bruch zu setzen, handelt man damit meiner Meinung nach respektlos gegen das Gesamtwerk eines Films. Das tut man auf eine Weise ohnehin, wenn man einen Film unterbricht, auch wenn die Pause zwischen zwei Szenen gesetzt wird. Aber diese Pause hatte immerhin ursprünglich einen Grund,  als noch Rollen ausgetauscht werden mussten. Darauf wurde ja anno dazumal sogar die Dramaturgie eines Films angepasst, bereits in der Drehbuchphase. Im heutigen post-analogen Kino ist eine solche Pause vielleicht immer noch eher zu verzeihen, weil sie zumindest die dramaturgischen Akte eines Films respektiert. Eine Szene in sich zu unterbrechen, ist ein despektierlicher Eingriff in ein Kunstwerk, punkt. Egal, ob sich nun der Vorführer die Deutungsfreiheit eines spannenden Moments herausnimmt oder ob ein Sender einen Cliffhanger generiert, um sein Überleben auf dem kapitalistischen Markt zu gewährleisten. Anders gesagt: es würde mir ja keiner sagen, ich darf nur die eine Hälfte der Mona Lisa anschauen, nach der Werbung kommt die linke Gesichtsseite.

 

Als Kinogängerin mit Schweizer Kinokonditionierung verstehe ich natürlich, dass eine Pause (zwischen zwei Akten wohlgemerkt!) ein gewisse sinnliche Genüsslichkeit mit sich bringen kann: man ist erfüllt vom Film, man denkt nach über das, was gleich kommen wird, tauscht sich vielleicht darüber aus und kann herrlich spekulieren – noch dazu ist die Vorfreude auf ein Pauseneis größer als auf ein Langweileis, das schon während der Werbung aufgegessen ist. Und: man kann Pinkeln gehen!

 

Dennoch: im Grunde ist jede Unterbrechung eines filmischen Werks frevelhaft, weil sie das unterbricht, an dem wir Filmschaffenden so so so lange gearbeitet haben: das Gefühl, das sich in unserem Inneren während des Schauens entwickelt. Dieses Gefühl herstellen kann ein Film nur über die Zeit. Nicht von ungefähr wird das Medium Film als die einzige Kunstform bezeichnet. die Zeit als ein Ausdrucksmittel braucht.

 

Mein Professor der Filmwissenschaft fand übrigens auch das Eisessen im Kino frevelhaft. Popcorn war noch schlimmer. Überhaupt jeder Faktor, der das Gesamterlebnis vom Film ablenken konnte, ob Unterbrechung oder jegliche Art von Konsum, sei es Essen oder Werbung. Wenn ein Film aus irgend einem Grund unterbrochen wurde, mussten wir nochmal neu anfangen zu schauen. Als ich selber anfing, Filme zu machen, habe ich mit großer Dankbarkeit an ihn zurückgedacht.

Eis essen werde ich trotzdem weiterhin, im Schneideraum sowohl als im Kinosaal. 

Geschrieben (bearbeitet)

Ich habe dazu noch eine Mail folgenden Inhalts von einem Kinomacher zu dem Thema bekommen:

"Der ‚Cliffhanger‘ ja nicht dazu da, eine besonders ‚schöne‘ Pause hervorzubringen, sondern das Publikum am Abschalten, Wegzappen, etc. zu hindern. Also zugunsten des Werbeblocks. Grundsätzlich halte ich das unvermittelte Aussteigen gerade aus einer spannenden Szene gegen das Publikumsinteresse gerichtet. Für viele scheint der Begriff ‚Cliffhanger‘ ja irgendwas Positives zu bedeuten. Aber wenn man drüber nachdenkt, ist es eigentlich bewusst gegen die Perzeptionserwartung gerichtet.
 

Wenn man das wie ihr interaktiv per Taster macht, statt vorgeplant per Playliste, dann ist halt grundsätzlich zusätzlich ein gewisses Konfliktpotential drin.
Wenn ihr schon eine Pause einlegt, sollte ihr den Film vorher zumindest bis zu ‚Eurer‘ Pause gesichtet haben, dann in Ruhe und wohlüberlegt die Pause setzen und die dann per Playliste fixieren, so hättei ihr die Pause immer an der gleichen Stelle unabhängig davon, welcher
Filmvorführer den Film vorführt oder ob der gerade abgelenkt und nicht 100% bei der Sache ist. Diese Sorgfalt wäret ihr eigentlich dem Film und eurem Publikum gegenüber schuldig.

Zu deinem Beispiel mit der Musik. Im Theater ist es ebenfalls so: Pause, wenn, dann nur am Ende eines Aktes und nie innerhalb einer Szene
."

Bearbeitet von achteinhalb (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Es gibt ja eine ganze Menge Filme, in denen eine Pause vorgesehen ist. Oftmals sogar mit Pausen- und Zwischenmusik. In der Regel sind die "Pausen-Stellen" bekannt.

Warum ihr aber bei einem 103-Minuten-Film (Wilde Maus) eine Pause macht, kann ich aus künstlerischen Gründen nicht nachvollziehen.

Ganz im Gegenteil: Mich schrecken derlei Kinos ab, so dass ich dort kein Zweitesmal hingehe.

 

Am 6.5.2017 um 01:44 schrieb achteinhalb:

Das Publikum unterhält sich, man geht zur Theke und kommt mit anderen ins Gespräch.
Unser Publikum erwartet von uns eine Pause.

 

Ernsthaft?

 

 

 

 

Geschrieben (bearbeitet)

Hallo @achteinhalb,

 

zwar finde ich vom Kinobetreiber anberaumte Pausen grundsätzlich inakzeptabel und würde ein solches Kino kein zweitesmal aufsuchen, aber wenn euer Publikum es erwartet und/oder wünscht, liegt der Fall anders. Du hast ja auch nicht gefragt, ob man eine Pause machen sollte, auch wenn die technische Notwendigkeit (Rollenwechsel) nicht mehr vorliegt, sondern an welcher Stelle.

 

Eine "spannungssteigernde" Unterbrechung mitten in der Szene ist wirklich das Allerletzte und reißt komplett aus der Handlung heraus, sie lenkt außerdem die Aufmerksamkeit auf einen technischen Vorgang. An Grobheit nur noch zu überbieten, wenn man das eingefrorene Bild auf der Leinwand stehen läßt! Wenn also überhaupt eine Pause gemacht werden soll, dann an einem geeigneten Szenenwechsel.

 

Deinem Kollegen, der glaubt, den Film spannender gestalten zu müssen, würde ich zu bedenken geben, daß der Film an sich den Zuschauer fesseln muß, nicht die Faxen des Vorführers. Auch durch Privat-TV-mäßige Zersplitterung entsteht da kein zusätzliches Lustgefühl, auch nicht bei den Blasenkranken. :3_grin:

 

Vielleicht einfach Kürbiskerne als Knabbersnack im Kino anbieten?

 

 

 

 

Bearbeitet von magentacine (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Auch bei uns war während der 35mm-Zeit die Rollenwechselpause fester Bestandteil des Programms. Selbst als wir irgendwann eine zweite Maschine hatte wurde die Pause beibehalten. Es gab allerdings immer ebensoviele positive wie negative Rückmeldungen. Beim Umstieg auf Digitalkino haben wir sie nach langen internen Diskussionen dann abgeschafft. Vereinzelt haben dann noch Leute nachgefragt aber im großen und ganzen ging es recht reibungslos. 

Geschrieben

Ich finde Pausen im Film absolut störend!

Die wenigen Filme, die sowas eingebaut haben (mir fällt spontan nur "Lied vom Tod" ein) kann ich akzeptieren.

Ich habe in jungen Jahren in einem Jugendhaus mit 16 mm-Projektoren Spielfilme vorgeführt. Und weil der übliche Spulenwechsel den Film zerhackt hätte, haben wir damals mit 2 Bauer-Maschinen eine Überblendeinrichtung gebastelt...

Geschrieben

Im "Lied vom Tod" war keine Pause vom Verleih her eingebaut.

Zumindest nicht in der damaligen absoluten Erstaufführung in den 60ern.als ich den Film noch im 600mtr. Überblendbetrieb vorführte.

Mir ist auch nicht bekannt, daß sich das später einmal geändert hätte.

Geschrieben

... es gab auch keine in dem Film!

Hatte Ihn weit über 1 Jahr im Haus- und der wurde ganz brav mit Überblendbetrieb gespielt.

eben KINO wie es sein sollte :-)

Geschrieben (bearbeitet)

Ich habe bein "Rumgoogeln" zu dieser Thematik am Wochenende dieses relativ neue Buch aus April 2015 entdeckt und umgehend bestellt.

Der Cliffhanger und die serielle Narration
Analyse einer transmedialen Erzähltechni
k

Das vorliegende Buch ist die Dissertation von Dr. Vincent Fröhlich.
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-2976-7/der-cliffhanger-und-die-serielle-narration

Dr. Fröhlich ist Literaturwissenschafter an der Uni Marburg, einer seiner Schwerpunkte ist Medienkomparatistik.

Bearbeitet von achteinhalb (Änderungen anzeigen)
Geschrieben
vor 58 Minuten schrieb TK-Chris:

und jetzt?

Na ja, ich werde es lesen - vielleicht nicht ganz, sondern ausgewählte Kapitel und in dem  Zuge sicherlich meine Sicht auf Cliffhanger verändern und fundieren.
Ich bin ja (bisher) der Meinung, wie man aus meinen bisherigen Beiträgen erkennen kann, dass Cliffhänger in Filmen nicht zum Kino gehören, insofern sie vom Regisseur nicht vorgesehen sind, sondern Bestandteil und Signum einer TV-Kultur sind.
Interessant wäre es evtl., wie es sich in dem Kontext bei den umstrittenen Amphibienfilmen verhält.

 

Geschrieben (bearbeitet)

Ein Cliffhanger muß ja nicht zwingen vor einer Pause erscheinen, sondern könnte zB auch am Übergang zweier Handlungsstränge für Spannung sorgen, ohne den Film zu unterbrechen.

Und das macht, wenn gut gemacht, auch im Kino Sinn.

Bearbeitet von Vogel (Änderungen anzeigen)
Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Vogel:

Ein Cliffhanger muß ja nicht zwingen vor einer Pause erscheinen, sondern könnte zB auch am Übergang zweier Handlungsstränge für Spannung sorgen, ohne den Film zu unterbrechen

Entweder Du liegst da fachlich/sachlich falsch oder ich verstehe Dich miss.
Ein Cliffhanger geht grundsätzlich per Definition mit einer Pause/Unterbrechung des Films einher.

Fröhlich schreibt: "Der Cliffhanger ist der Begriff für eine Erzähltechnik, bei der in einem Moment großer Spannung die serielle Erzählung unterbrochen wird, um den Leser, Zuschauer oder Hörer zu veranlassen, die Fortsetzung herbeizusehnen und diese dann später zu rezipieren. Gemeinhin gilt diese Erzähltechnik als enervierend, frustrierend oder sogar  niederträchtig, da man beim Genuss serieller Werke unterbrochen und dann gezwungen wird, erneut zu rezipieren, um die Auflösung zu erfahren." (S. 15)

http://www.beck-shop.de/fachbuch/leseprobe/9783837629767_Excerpt_001.pdf

oder "Cliffhanger‘ ist ein Begriff für eine Technik, die beschreibt, dass eine Erzählung an einem Moment unterbrochen wird, der auf die Fortsetzung gespannt

Bearbeitet von achteinhalb (Änderungen anzeigen)
Geschrieben (bearbeitet)

Ich kann doch eine Erzählung (Faden) unterbrechen, ohne das Erzählen komplett einzustellen, weil zB an einem anderen Faden weiterspinne (und ggf später den ursprünglichen wieder aufzunehmen). Steht in meinem Sprachverständnis den von dir zitierten Definitionen nicht grundsätzlich entgegen.

Bearbeitet von Vogel (Änderungen anzeigen)
Geschrieben (bearbeitet)
vor 59 Minuten schrieb Vogel:

Ich kann doch eine Erzählung (Faden) unterbrechen, ohne das Erzählen komplett einzustellen

Ja, da hast Du natürlich Recht und dafür gibt es unzählige Beispiele. Klassischerweise gibt es das in der Dramentheorie und wird dort "retartierendes Moment" genannt.

Beim Fünfakter in der Regel im vierten Akt, wo, bevor es auf die unausweichliche Katastrophe (fünfter Akt) zusteuert, ein Umweg genommen wird, der eine mögliche Rettung in Aussicht stellt. Der Spannungsbogen, der über dem gesamten Drama liegt, wird dort verzögert/gedehnt.

Stichwortartig: Retartierendes Moment (rM) ist ein Element des Spannungsbogen, Cliffhanger indes befindet sich in einer Spannungskurve und ist dort eigentlich eine narrative Übersetzung einer ökonomisch gelagerten Motivation. Sie unterscheiden sich so in ziemlich allem - angefangen bei der zugrundeliegenden Intention. Gemein ist ihnen lediglich, dass sie eine aufgebaute Spannung nicht auflösen, sondern hinauszögern - einmal narrativ (rM), das andere Mal physikalisch (Cliffhanger) durch eine Pause.
Spannungsbogen ist nicht mit "Suspense" zu verwechseln. Cliffhanger trifft man eher im Kontext von "Suspense" an.
 
Cliffhanger gibt es seit langem in anderen Medien und gibt es dort länger als im Film. Einige dieser Werke werden heute eher zur einer Form von Hoch- als Populärkultur verrechnet. Z. B.: Tausendundeine Nacht und Werke von Charles Dickens, Arthur Conan Doyle, Erich Maria Remarque, Fjodor Dostojewski und Alexandre Dumas, die heute zum Großteil zur Weltliteratur gezählt werden - siehe vor allem viktorianische Fortsetzungs- und Feuilletonromane. Ich hatte meine ersten Bekanntschaft mit Cliffhangern bei Walt Disney gemacht. In den "Mickey Mouse"-Heften gab es immer eine Geschichte, die abrupt endete und eine Fortsetzung verlangte, so dass ich kaum das Erscheinen des nächsten Heftes abwarten konnte.
Bearbeitet von achteinhalb (Änderungen anzeigen)

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