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Kann man irgendwo noch eine Vorfuehrung von Nitratfilm sehen?


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Geschrieben

Ich wuerde gerne irgendwann mal die Erfahrung machen, Nitratfilm projiziert zu sehen, am besten mit einem Projektor und Leinwand wie damals ueblich. Glaube ich habe da mal was von Kohlestablampen oder so gelesen? Bin kein Experte.

 

Kennt irgendjemand ein Kino, das sich auf solche historischen Vorfuehrungen oder aehnlich spezialisiert?

Geschrieben

Hallo, Tomaro, von Sommer 2001 bis Herbst 2002 habe ich historisches Kino gemacht mit richtigem Tempo, Hochintensität-Kohlenbogenlampen, mattem Baumwollgewebe, Objektiven aus den 1950er Jahren und Röhrenverstärkung des Tons. Nitrokopien habe ich keine gespielt.

 

Du wirst wohl nur bei Archiven Glück haben, wenn irgendwo ein Mal so etwas aufgeführt wird, oder bei einem Privaten. Welche Lichtspielteater Nitratfilm spielen wollen oder dürfen, wissen deren Betreiber. Ob es so etwas wie einen Nitrokalender gibt, weiß ich nicht.

 

Eine historisch korrekte Filmaufführung kann immer nur einer bestimmten Zeit entsprechen, es gibt keine einheitliche Technik. Die Stummfilmzeit ist ja vielfältiger als die klassische Tonfilmära. Die Zeit von 1932 bis 1952 ist technisch die geschlossenste oder eintönigste. Ein Tempo, ein Bildformat, ein Tonkanal (mit Ausnahmen), eine Lichtart. Zuvor gab es verschiedene Film- und Bildformate, alle möglichen Bildfrequenzen, alle möglichen und unmöglichen Farbenverfahren, Tonfilmexperimente aller Art, Live-Begleitung, Filmerklärer. 1954 war Schluß mit Nitro.

Geschrieben

In Rochester gibt es einmal jährlich THE NITRATE PICTURE SHOW. Obwohl ich letztes Jahr einen Tag in Rochester war, hätte es keinen Sinn gehabt, eine Karte vorzubestellen. Mir wurde gesagt, dass man ein halbes Jahr vorbestellen musste, und selbst dann sind die Karten innerhalb von 30 Minuten verkauft gewesen, für mehrer Hundert Euro pro Ticket. Ich konnte allerdings mit einer Dame sprechen, die Hitchcocks REBECCA ein paar Tage vorher auf Nitrofilm gesehen hat, und die war ganz hingerissen, scheinbar hat man wirklich ein ganz besonderes Abbildungserlebnis. 

Geschrieben

Ich denke, es wird in Deutschland kein Kino mehr geben, das offiziell Nitrofilme zeigen darf. Aber andere Leute wissen da vielleicht mehr. Es gibt vielleicht noch Kinos mit Vorfuehrraeumen und Projektoren aus der Nitrozeit, die theorhetisch geeignet waeren, aber die haben bestimmt keine Zulassung mehr. Du wirst Dir einen privaten Sammler finden muessen, der bereit ist Nitro vorzufuehren.

 

In den USA gibt es noch 2 oder 3 Kinos wo die Vorfuehrrung erlaubt ist. Ich weiss vom George Eastman Museum in Rochester, wo die Nitrate Picture Show veranstaltet wird, und das Kino der Academy of Motion Pictures in Hollywood kann ebenfalls Nitrofilme vorfuehren.


Hier in Australien ist es nur noch bei privaten Sammlern moeglich. Und ich habe bei einem Freund auch schon Nitrofilme angesehen. Allerdings war der schon Filmvorfuehrer in den 1940/50er Jahren, als Nitrofilme normal waren, und er hat von der Pike auf gelernt, wie damit umzugehen ist. Viele alte Landkinos sind noch mit nitrotauglichen Projektoren ausgestattet, aber die meisten sind geschlossen und wurden seit Jahren nicht mehr benutzt. Selbst unser Filmarchiv darf das nicht, die schauen sich Nitrofilme nur auf Schneidetischen an.

 

Meine eigenen 35mm Projektoren wurden um 1955 hergestellt, also nach dem offiziellen Ende der Nitrozeit. Sie wurden aber dennoch mit Spulenboxen und "firetraps" geliefert. Ich nehme an, auch nach 1952 (dem Ende der Nitrozeit in den englischsprachigen Laendern) wurden manchmal noch Nitrokopien von aelteren Filmen verliehen. Aber selbst vorfuehren wuerde ich nicht.

 

Die Nitrate Picture Show zu besuchen ist wohl die einzige Moeglichkeit Nitrofilme in einem grossen Saal zu sehen. Es ist auf meiner Wunschliste, allerdings wird es ein teuerer Kinobesuch. (Diese Jahr fand sie wegen Corona nicht statt.)

Geschrieben (bearbeitet)

Ist die Vorführung von Nitrofilm in Deutschland wirklich verboten? Wo würde so etwas gesetzlich festgehalten sein? Ein Verbot der Herstellung oder Inverkehrbringung von Kopien wäre ja etwas anderes. Das Sprengstoffgesetz enthält zwar stoffliche Definitionen bezüglich Nitrozellulose, aber ein unmittelbares Verbot der Vorführung (die Umstände, öffentlich oder privat, Versammlungsstätte, etc. mal außen vor) habe ich da bisher noch nicht herauslesen können. Hat sich jemand mal damit beschäftigt?

 

Der Selbstversuch eines Forennutzers vor ein paar Jahren ging ja bekanntermaßen nicht gut aus. Aber ein Wohnzimmer ist auch kein BWR.

 

Grundsätzlich ist sicher richtig, wenn man sowas mal originalgetreu sehen will, muss es zumindest auch mit Kohlebogenlicht sein.

 

 

- Carsten

 

 

 

Bearbeitet von carstenk (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Zur Information. Ich habe aus Interesse mal herumgegoogelt...

 

Deutsches Gesetz ueber Sicherheitskinefilme, 1957

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*[%40attr_id%3D'bgbl157s0604.pdf']#__bgbl__%2F%2F*[%40attr_id%3D'bgbl157s0604.pdf']__1595513761905

 

Verordnung ueber Sicherheitskinefilme, 1958

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*[%40attr_id%3D'bgbl158s0914.pdf']#__bgbl__%2F%2F*[%40attr_id%3D'bgbl158s0914.pdf']__1595514146317

 

Es ist ziemlich eindeutig: "Kinefilmnegative und -positive dürfen nur vorgeführt, bearbeitet oder gelagert werden, wenn sie vollständig auf anerkanntem Sicherheitsfilm hergestellt sind".

Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Patrick Müller:

In Rochester gibt es einmal jährlich THE NITRATE PICTURE SHOW. Obwohl ich letztes Jahr einen Tag in Rochester war, hätte es keinen Sinn gehabt, eine Karte vorzubestellen. Mir wurde gesagt, dass man ein halbes Jahr vorbestellen musste, und selbst dann sind die Karten innerhalb von 30 Minuten verkauft gewesen, für mehrer Hundert Euro pro Ticket. Ich konnte allerdings mit einer Dame sprechen, die Hitchcocks REBECCA ein paar Tage vorher auf Nitrofilm gesehen hat, und die war ganz hingerissen, scheinbar hat man wirklich ein ganz besonderes Abbildungserlebnis. 

Das stimmt so nicht. Ein Festivalpass für das ganze Wochenende kostete $175, auch mehrere Wochen nach dem Vorverkaufsstart war bei weitem nicht alles ausverkauft. Ich wäre dieses Jahr hingeflogen, aber dann kam Corona dazwischen. Das komplette Festival wurde auf nächstes Jahr verschoben, hoffentlich ist dann ein Besuch möglich.

Im Egyptian Theatre in Hollywood wird auch noch Nitro gespielt. Das BFI in London hat bis vor ein paar Jahren auch noch Nitro vorgeführt, aber jetzt schon seit einiger Zeit nicht mehr. Ansonsten gibt es wahrscheinlich in einigen Archiven noch eine interne Vorführmöglichkeit.

Geschrieben
Am 23.7.2020 um 15:13 schrieb carstenk:

Ist die Vorführung von Nitrofilm in Deutschland wirklich verboten? Wo würde so etwas gesetzlich festgehalten sein? Ein Verbot der Herstellung oder Inverkehrbringung von Kopien wäre ja etwas anderes. Das Sprengstoffgesetz enthält zwar stoffliche Definitionen bezüglich Nitrozellulose, aber ein unmittelbares Verbot der Vorführung (die Umstände, öffentlich oder privat, Versammlungsstätte, etc. mal außen vor) habe ich da bisher noch nicht herauslesen können. Hat sich jemand mal damit beschäftigt?

 

Der Selbstversuch eines Forennutzers vor ein paar Jahren ging ja bekanntermaßen nicht gut aus. Aber ein Wohnzimmer ist auch kein BWR.

 

Grundsätzlich ist sicher richtig, wenn man sowas mal originalgetreu sehen will, muss es zumindest auch mit Kohlebogenlicht sein.

 

 

- Carsten

 

 

 

 

Geschrieben

hallo   danke  das  du mich an meine  Nito fall erinnert hast    . Ich bin nut mal am staunene  das  es  noch welche  hier  gibt die  das  sehen wolle ??  nun ja  ich hab da  die  nase  von noch immer  fast voll gruss braubera

Geschrieben (bearbeitet)

Ist generell verboten, wurde aber in dieser Stadt noch Mitte der 60er durchgeführt.

Sondererlaubnis im Bundesarchiv-Filmarchiv in Hoppegarten mit dem von Kinoton umgebauten FP-Projektor mit eckigen Spezialtrommeln noch heute.

 

Aber es gibt (leider?) nichts Legendäres und Unwiederholbares, was man in Nitrofilmkopien entdeckt. Einige wird dies möglicherweise enttäuschen, weil auch in amerikanischen Internetforen Legenden verbreitet werden. Wenn alte Nitrokopien besser aussehen als spätere (etwa in den 60er Jahren über Duplikat hergestellte Sicherheitskopien in einigen Archiven, deren Name ich jetzt nicht nenne), rührt das daher, weil sie einst vom Originalnegativ kopiert wurden (und spätere Reprisen in den 60er Jahren oft sehr weich, mulmig und aufgehellt wirken). Das ist die einzige Magie bei guten Nitrokopien, die Direktkopierung, aber nicht wegen ihres Materialscharakters!

 

Mit Umstieg zum Tonfilm hatte Kodak sein Schwarzweiß-Aufnahmematerial in der Gradation angehoben und zugleich das Printmaterial flacher hergestellt. Das weichere Printmaterial entsprach somit der in der Gradation ähnlichen Sprossenschrift: dies war zwingend notwendig geworden.

Aber die Filme mussten nicht notwendig anders oder schlechter aussehen als zur Stummfilmzeit...

 

Auch in späteren Dekaden, verstärkt noch in den 60er Jahren und auch für Sonderanfertigungen und für Archivzwecke noch in den 70 Jahren bis mind. in den 90er Jahren, konnten von Nitronegativen Theaterkopien hergestellt werden mit einer identischen Qualität wie zur Zeit der Premiere (wobei mangels Nasskopierung in der Zeit vor 1968 hierzulande natürlich - der Alterung des Negativs entsprechend - mehr Verschmutzungen in Kauf genommen werden mussten).

Es hatten sich allerdings bereits in den 60er Jahren die Schwarzweiß-Printmaterialien nochmals geändert. Um jetzt neuerlich von älteren Nitronegativen zu kopieren, hatte man die Fernsehkopien aber auch die Theaterkopien über Lavendelmaterial hergestellt, und dieses zur Gradationsrrekorrektur speziell im Negativentwickler entwickelt, damit sie nicht zu "schwer" gerieten .

Hätte man über das normales Printmaterial kopiert, entstünde eine gewisse überbrillanz, die vielleicht manchen gefiele, aber eben auch zu weißen Gesichtern führen würde ("Ausreißen der Lichter").

-> In diesem Fall hatte ich das Printmaterial dann stärker belichtet und konsekutiv in der Entwicklungszeit verkürzt. Das Ergebnis war identisch zur Nitrokopie. Einer Kohlebogenlampe bedarf es nicht zwingend.

 

Insofern würde es mich freuen, wenn man ausser exklusiven Nitro-Festivals vielleicht auch einige analoge Nachkopierungen auf Sicherheitsfilm realisieren könnte: in der beschriebenen Weise. Diese könnten dann die Nachfolge authentischer Filmvorführungen antreten, falls tatsächlich das Nitromaterial irgendwann einmal keine Aufführungen mehr gestattet. Man kann in jenem Fall, wenn Bildauthentizität verlangt wird, auf Nitromaterial wirklich verzichten, und ich wäre geneigt zu sagen: man sollte es auch tun.

 

Apropos REBECCA: die in Deutschland neu gezogenen 35mm-Kopien in den 80er Jahren waren sehr diffus, klatschhell und unscharf. Was aus dem Film später geworden ist, weiß ich leider nicht.

Da scheint es z. B. bei SPELLBOUND kein vernünftiges Ausgangsmaterial mehr zu geben: nicht einmal für den profitablen Blu-ray Markt haben sie es hinbekommen. So wäre eventuell eine Nitrofilmkopie eine Ehrenrettung!

Bearbeitet von cinerama (Änderungen anzeigen)
Geschrieben

Habe einen Nitrotitel in meiner Sammlung: Das Dschungelbuch, mit Sabu als Mowgli. In Technicolor, englisch mit deutschen UT.  Will den Film eigentlich schon mal spielen, meine Philips FP6 hat 1800m Feuerschutztrommeln, Trommelblende mit Zentrifugalklappen und Rissschalter mit automatischen Bildklappenverschluss und Hitzeschutzglas vor der Projektorlampe. Optimal wäre noch zusätzlich eine Wassergekühlte Filmbühne. Hatte bisher von einer Vorführung abgesehen, möchte die Kopie erst auf dem Umroller Meter für Meter prüfen. Meine Angst ist es, dass ein Stückchen Film ev ausbricht und am Bildfenster hängen bleibt und sich entzündet. Hab mal ein paar Frames des Vorspanns angezündet, das tut ganz schön. Nicht auzudenken, wie ein 600m Akt abgeht!

Geschrieben
6 minutes ago, Majorsmith said:

Habe einen Nitrotitel in meiner Sammlung: Das Dschungelbuch, mit Sabu als Mowgli. In Technicolor, englisch mit deutschen UT.  Will den Film eigentlich schon mal spielen, meine Philips FP6 hat 1800m Feuerschutztrommeln, Trommelblende mit Zentrifugalklappen und Rissschalter mit automatischen Bildklappenverschluss und Hitzeschutzglas vor der Projektorlampe. Optimal wäre noch zusätzlich eine Wassergekühlte Filmbühne. Hatte bisher von einer Vorführung abgesehen, möchte die Kopie erst auf dem Umroller Meter für Meter prüfen. Meine Angst ist es, dass ein Stückchen Film ev ausbricht und am Bildfenster hängen bleibt und sich entzündet. Hab mal ein paar Frames des Vorspanns angezündet, das tut ganz schön. Nicht auzudenken, wie ein 600m Akt abgeht!

 

Ui. Falls du das mal machst und es dich nicht stoert, wuerde ich da vllt. gerne mitschauen. Wuerde dir auch n Kasten Bier mitbringen oder was auch immer dir taugt.

Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb cinerama:

Aber es gibt nichts Legendäres und Unwiederholbares, was man in Nitrofilmkopien entdeckt. Einige wird dies möglicherweise enttäuschen, weil auch in amerikanischen Internetforen Legenden verbreitet werden. Wenn alte Nitrokopien besser aussehen als spätere (etwa in den 60er Jahren über Duplikat hergestellte Sicherheitskopien in einigen Archiven, deren Name ich jetzt nicht nenne), rührt das daher, weil sie einst vom Originalnegativ kopiert wurden (und spätere Reprisen in den 60er Jahren oft sehr weich, mulmig und aufgehellt wirken). Das ist die einzige Magie bei guten Nitrokopien, die Direktkopierung, aber nicht wegen ihres Materialscharakters!

 

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