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Standard-Brennweiten beim Schmalfilm


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Geschrieben
vor 9 Stunden schrieb F. Wachsmuth:

Die temporale Dimension erweitert somit (meist) das Blickfeld.

 

Und auch die räumliche. Ein Objekt, das sich auf die Kamera zu bewegt, kommt bei langer Brennweite vermeintlich  "nie" an.

Bei kurzer Brennweite (und geringerer Distanz) erscheint diese Bewegung beschleunigt, u.U. dramatisch.

Geschrieben

Ja, genau ins Schwarze getroffen für etwa zwei Drittel der Geschichte. Den Rest macht die Projektion aus. Achtet darauf, ob Ihr nicht hie und da das Bedürfnis verspürt, näher an die Bildwand zu gehen. Dem ist die Verdoppelung der Bilddiagonale oder die Halbierung des Gesichtswinkels entgegengekommen. Desgleichen hat man zuweilen den Wunsch, Aufnahmen mit Weitwinkelobjektiv größer projiziert zu sehen.

Geschrieben
vor 48 Minuten schrieb F. Wachsmuth:

Irgendwann werden unsere Kinder zur Leinwand laufen, beide Hände drauflegen, sie auseinander bewegen, und dann schulterzuckend abgehen. 

 

Irgendwann? Passiert das nicht bereits seit Jahren 😉

 

 

Geschrieben

Ich versuche mal zusammenzufassen, möglichst wenig fehlerbehaftet und in der Hoffnung, nicht nur zu wiederholen (bitte korrigiert mich gern): es gab kein Weitwinkel, weil es damals eben technisch unmöglich war!

 

Beim Bewegtbild brauchen wir wegen des großen Abstandes zwischen Film und Objektiv zwingend Retrofocus-Objektive. Nicht wahr?

 

Das erste Retrofocus-Objektiv wurde ein Jahr vor der Einführung von Normal 8 „1931 für Farbfilmkameras entwickelt [… mit] genug Platz für einen Farbteiler“¹ (wohl Technicolor ist gemeint). Danach kam 1950 das erste für Kleinbild² (Angenieux 2,5/35mm)! Das Switar 1,8/5,5mm dagegen kam erst 1954³. Bis dahin war bei 12,5mm eben Schluss beim D-Mount und „immerhin“ 15mm beim C-Mount. Kürzer wurde es bei Normal 8 nie!

 

Zu @Film-Mechanikers Hinweis zu den schlauchartigen Kinos: das gleiche ist im heimischen Wohnzimmer der Fall. Alle projizierten fröhlich mit Projektoren, die ausschließlich lange Telebrennweiten besaßen (z.B. 2 Zentimeter und mehr [!!!] für Normal-8-Wohnzimmerprojektoren*). Anders gesagt: man schaute sich im Wohnzimmer ein mehr oder weniger kleines Bild an. Sitzt man wiederum weit genug davon weg – und das ist gemessen an der Bilddiagonale ja ein leichtes – sieht man den Film negativ formuliert im „Tunnelblick“. Den Zuschauenden kommt das „Teleobjektiv“ an der Aufnahmekamera also beinah vor wie ein Blick durch ein „Normalobjektiv“. Da ist es schon erstaunlich, dass alte Wohnzimmer-Leinwände dennoch derart groß ausfallen können 😉 

 

 

Zusammengefasst: ja, man hat es bei Normal 8 lediglich zu einem mäßigen Normalobjektiv geschafft (z.B.  Switar 1,8/5,5mm – nennen wir es des lieben Frieden Willens weiterhin „Weitwinkel“). Ein richtiges Weitwinkel gibt es einfach nicht! Das hat leider nichts mit Schwenks o.ä. zu tun**, sondern schlicht mit technischen Problemen, die zu Normal 8 Zeiten nie gelöst wurden. Oder sehe ich das falsch?

 

1: https://de.wikipedia.org/wiki/Retrofokus

2: https://photobutmore.de/exakta/angenieux/

3: http://www.bolexcollector.com/lenses/50kern.html

 

* da sind wir gemessen am Kleinbild schon bei um die 150-200mm! Man stelle sich einen Diaprojektor damit im Wohnzimmer vor.

** ein 5,5mm Weitwinkel (!) gibt es für 16mm auch: z.B. Kern Switar 1,6/10mm mit Aspheron Vorsatzlinse: 5,5mm.

 

Geschrieben

Dieser Artikel des Kameramanns/DoP Neil Oseman bringt ein bisschen mehr Aufklärung über das, was Normalbrennweite beim Film ist. Meine ganz am Anfang dieser Diskussion geäußerte Vermutung, dass wir beim Schmalfilm noch Konventionen aus der Stummfilmzeit und der Mitte des 20. Jahrhunderts hantieren, scheint sich zu bewahrheiten. Ich übersetze einmal ein paar Zitate aus dem Artikel:

Zitat

 

Die SMPTE (Society of Motion Picture and Television Engineers), bzw. die damalige SMPE, entschied vor fast einem Jahrhundert, dass ein Normalobjektiv für Kinofilme eine Brennweite haben müsse, die dem Doppelten der Bilddiagonale entspricht. Ihre Begründung lautete damals, dass Kinobesucher, die in der Mitte des Saals sitzen und deshalb auf halbem Weg zwischen Leinwand und Projektor (letzterer hat normalerweise ein Objektiv, dessen Brennweite doppelt so lang ist wie ein Kamera-Normalobjektiv), so ein natürliches Sichtfeld erhalten.
 

Ein digitaler Super-35-Kinokamerasensor hat - genau wie der 35mm-Kinofilm - eine Diagonale von etwa 28 mm. Nach Angaben der SMPE ergibt sich daraus eine Normalbrennweite von 56 mm. Berühmte Filmregisseure des zwanzigsten Jahrhunderts wie Hitchcock, Robert Bresson und Yasujiro Ozu waren Anhänger dieser Brennweite, genauer gesagt 50 mm, weil sie glaubten, dass sie das natürlichste Sichtfeld bietet.


Das SMPE-Komitee der 1920er Jahre lebte in einer Welt, in der Filme nur in Kinos gezeigt wurden. Natürlich konnte es die unzähligen Endgeräte, auf denen Filme heute angesehen werden, nicht vorausahnen. Im Moment betrachte ich meinen Computermonitor aus einer Entfernung, die in etwa der Bildschirmdiagonale entspricht. Aber wenn ich mein Mobiltelefon in der Entfernung der Bildschirmdiagonale halten würde, käme es mir schon unangenehm nahe ans Gesicht. Große Kinoleinwände sind immer noch näher an den meisten Zuschauern als ihre Diagonale, genau wie in den zwanziger Jahren, aber kleinere Multiplexleinwände können weiter entfernt sein als ihre Diagonale, und Fernsehbildschirme variieren stark in Größe und Betrachtungsabstand.

 

DIE NEUE NORMALITÄT
Um in der goldenen Mitte der verschiedenen, heute üblichen Betrachtungsabstände zu bleiben, plädiere ich dafür, dass Filmemacher zum Fotografie-Standard der Normalbrennweite zurückkehren sollten, die der einfachen Bilddiagonale entspricht, also 28 mm für einen Super-35-Sensor.


Laut Noam Kroll haben Spielberg, Scorsese, Orson Welles, Terence Malick und viele andere A-Regisseure das 28-mm-Objektiv als eines ihrer am häufigsten verwendeten und in einigen Fällen sogar als ihr Lieblingsobjektiv bezeichnet.

 

 

 

https://neiloseman.com/the-normal-lens/

Geschrieben

Also fuer mich hat das ganze nichts mit Bildschirmgroesse, Abstand etc zu tun, sondern ausschliesslich mit einem dem Auge vergleichbaren Tiefeneindruck. Weder uebertriebene Tiefe (Weitwinkel), noch gestauchter Perspektive.

Mir ist schon klar, dass wenn ich etwas in grosser Entfernung betrachte, ich dieselbe Stauchung sehe, allerdings muss ich dann einen grossen Teil meines Gesichtsfeldes im Kopf kaschieren und das Betrachtete im Kopf vergroessern. Umgekehrt bietet ein Weitwinkelobjektiv einem im vergleich zum Auge viel groesseren Blickwinkel. Um den in real abzudecken muss das Auge herumschwenken, was natuerlich unbewusst passiert. Schaut man bewusst geradeaus mit starrem Blick, wird man feststellen, dass das brauchbare Bild ein recht eng begrenztes ist, vergleichbar mit einem Blick durch eine 8mm Kamera mit 12mm Optik.

So, und jetzt koennts mich schlachten😉

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb filma:

mit technischen Problemen, die zu Normal 8 Zeiten nie gelöst wurden. Oder sehe ich das falsch?

 

Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber das gehört zum Mythos der Überlegenheit westlicher Technik.

 

Im Ernst: Es gibt haufenweise Schmalfilmkameras, bei denen der Verschluß nahe genug am Bildfenster steht, so daß ein echtes Weitwinkelobjektiv (Triplett, Tessar-Typ, Ernostar-Typ) zum Film herangerückt hätte werden können. Hier liegt ein weiterer Beweis dafür, daß praktisch alle Hersteller keine Ahnung von den tieferen Zusammenhängen hatten, ja gar kein Interesse dafür entwickelten. Einzig bei Leitz trifft man Überlegungen an, wie ich bei meiner Leicina-8-S-Beschreibung umrissen habe.

 

Es gibt das Zeiss-Tessar 1,5 cm für 16-mm-Film-Kameras. Das Goerz-Hypar (Triplett) gab es 0.6 Zoll, das sind 15,24 mm. Das Kürzeste, was mir an alten echten Weitwinkeln bekannt ist, stellt das Kino-Hypar 1 inch, f/2.7, für Normalfilm von Goerz dar. Wann es herausgebracht wurde, ist mir nicht bekannt. Das Baltar 25 mm, f/2.3, von Bausch & Lomb erschien 1939. Kern hatte Triplette 25 mm für Normalfilm in der zweiten Hälfte der 1920er. Von Wollensak sind Objektive f = 0.969" (24,6 mm) und 25 mm, f/2.3, bekannt, die als Eymax für den Eyemo geliefert wurden, irgendwann in den 1930ern. Das Astro-Tachar ist von 1924, wann es in den Brennweiten 20 und 15 mm erhältlich wurde, wäre auch noch zu klären. Die Cooke Opic bzw. Panchro 1 inch für den Eyemo sind nicht vor 1925 gemacht worden.

  • 2 Wochen später...
Geschrieben

Da habe ich eine Stelle gefunden, Futter für den Geist:

 

222802544_Kodak-TextzurBrennweitevonCin-Objektiven.png.b7cd52fed983a98a6752ba1454c7f237.png

 

Übersetzung: Ein erheblicher Unterschied zwischen einem Kodak- und einem Ciné-Kodak-Objektiv ist die als für das letztere verhältnismässig länger zu betrachtende Brennweite. Sie ist etwa das Doppelte der belichteten Bilddiagonale: beim 16-mm-Film ein Zoll (25 mm) und beim 8-mm-Film ein halber Zoll (13 mm). Diese längere Brennweite des Objektives verengt den Gesichtswinkel auf ungefähr die Hälfte desjenigen eines Normalobjektivs einer Stehbildkamera. Für die Betrachtung von Heimfilm auf einer Bildwand liegt dieser engere Winkel näher bei der normalen Ansicht bewegter Gegenstände. Das menschliche Sehen hat angesichts bewegter Gegenstände weniger den Hang zu überschauen und besitzt folglich einen engeren Blickwinkel als beim Betrachten eines unbewegten Bildes.

 

Aus Kodak Lens Manual, 1942

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Film-Mechaniker:

… Das menschliche Sehen hat angesichts bewegter Gegenstände weniger den Hang zu überschauen und besitzt folglich einen engeren Blickwinkel als beim Betrachten eines unbewegten Bildes. …

 

Vielen Dank dafür und für‘s Raussuchen!

 

 

Natürlich würde mich durchaus die Studie interessieren, auf der diese Aussage beruht. Und natülrich ebenso, ob sie auch heute noch Gültigkeit hat, wenn ich das wohlmeinend (!), aber mit deutlich ironischem Unterton so anmerken darf 😉

 

Geschrieben
Gerade eben schrieb filma:

 

ob sie auch heute noch Gültigkeit hat, wenn ich das wohlmeinend (!), aber mit deutlich ironischem Unterton so anmerken darf 😉

 

dem schliesse ich mich an....

Geschrieben (bearbeitet)

Nun, es ging ja in diesem Thread um die Frage von @fcr, weshalb im Schmalfilm deutlich längere Brennweiten als beim Fotografieren eingesetzt werden, ich denke diese Frage ist hinreichend nicht zuletzt durch Simons Beitrag beantwortet worden.

Ob die ursprünglichen Gründe anderer Seegewohnheiten noch heute gültig, also üblich sind, sei dahingestellt und könnte man natürlich klären, wäre aber ein neues Thema, zumindest eine Ergänzung.

Ich bewege mich viel in Foto-Foren. Dort hat das 35mm Objektiv schon vielfach das klassische 50mm als Normalbrennweite für Kleinbildkameras abgelöst, hier schwingt natürlich also auch immer Zeitgeist ein Stück weit mit 😎

Bearbeitet von Helge (Änderungen anzeigen)

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