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Geschrieben

Es war einmal...

 

ein Land, dessen Bewohner besaßen die schönsten Holzschnitzereien. Ja, es war seit Langem üblich, zu Hause Bildnisse seiner Vorfahren, Reiseandenken und alle möglichen Kunstobjekte im Regal stehen zu haben. Es gab auch regelmäßig öffentliche Kunstausstellungen, zu denen die Bewohner des Landes pilgerten und sich dort viele schöne Schnitzereien ansahen.

Die Holzschnitzer waren hoch angesehene Leute. Natürlich gab es auch ein paar Stümper, die an Holzstücken herum schnitzten, nichts Ordentliches zustande brachten und das Ergebnis als "Kunst" verkaufen wollten. Das gehörte eben dazu.

Man erfand Kopier-Fräsmaschinen. Damit konnten dann Holzschnitzereien, die besonders beliebt waren, in größeren Stückzahlen grob vervielfältigt werden und es war nur noch wenig Handarbeit erforderlich. Bei entsprechender Sorgfalt waren diese Kopien genau so schön wie die Originale.

Im Großen und Ganzen waren Alle zufrieden und glücklich.

 

Eines Tages wurde das Plastik erfunden. Das wurde sehr begrüßt, konnte man doch daraus allerhand nützliche Gegenstände herstellen, für die Holz nicht so gut geeignet war.

 

Irgendwann kam dann Jemand auf die Idee, Figuren, wie es sie bisher nur aus Holz gab, aus Plastik herzustellen. Diese wurden aber zunächst nur belächelt, schließlich sahen sie ja nicht aus wie Holz.

 

Ein paar clevere Geschäftsleute aber sahen das Potenzial, das darin steckte. Schließlich waren Plastikfiguren in größeren Stückzahlen viel billiger herzustellen als Holzschnitzereien, auch kopiergefräste. Sie ließen also Plastikfiguren in großen Mengen herstellen und bewarben das Material als "Plastik-Holz". Sie investierten viel Geld in Werbung, und die Plastikfiguren wurden tatsächlich gekauft.

 

Nun erschienen immer mehr Plastikfiguren auf dem Markt. Manche Leute warfen sogar ihre alten Holzschnitzereien weg und stellten sich nur neue "Plastik-Holz"-Figuren ins Regal. Hatten sie private Holzschnitzereien, die z. B. ihre Vorfahren abbildeten, so ließen sie billige Plastik-Kopien davon machen und warfen die Originale weg.

 

Die Hersteller nannten sich mittlerweile "Plastik-Holzschnitzer". Sie bemühten sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, den Figuren einen "Holz-Look" zu verschaffen, denn der war immer noch beliebt. Nicht, dass das besonders gut klappte, aber man konnte damit ja Werbung betreiben. Der Absatz an echten Holzschnitzereien ging mittlerweile zurück.

 

Auch öffentliche Ausstellungen wurden jetzt oft mit Plastikfiguren bestückt. Künstler konnten nun frei wählen, ob sie Holzschnitzereien oder Plastikfiguren einreichen wollten. Manche Plastik-Formenbauer nannten sich mittlerweile "Holzschnitzer".

 

Einige wenige Liebhaber hielten immer noch an den alten Holzfiguren fest. Jetzt waren sie es, die belächelt wurden.

Die nachwachsende Generation lernte Figuren hauptsächlich aus Plastik kennen. Sie nannte das Material ganz selbstverständlich "Holz".

 

Ausstellungsbetreiber ließen nun so nach und nach die Holzfiguren verschwinden. Auch die, die noch an Holzfiguren fest hielten, hatten Probleme. Wenn sie neue Holzfiguren bestellten, bekamen sie immer öfter solche, die zwar auf den ersten Blick wie echtes Holz aussahen. Kratzte man dann aber ein Wenig an der Oberfläche, so stellte man fest, dass diese in Wirklichkeit aus Plastik waren. Man hatte ihnen nur eine Art Holz-Überzug verpasst.

 

Dann gab es auch ein paar wenige Aussteller, die regelmäßig historische Holzschnitzereien ausstellten. Dafür gab es Verleiher. Jetzt bekamen die Aussteller immer häufiger Figuren, die irgendwie ramponiert und verkratzt waren. Manche Besucher beschwerten sich darüber, denn weil sie sonst fast nur Plastikfiguren sahen, waren sie an deren glatte Oberfläche gewöhnt. Obwohl mit ein Wenig Mühe auch noch gut erhaltene Exemplare zu beschaffen gewesen wären, ging man immer öfter den einfachsten Weg: Man stellte eine Plastik-Kopie der originalen Holzschnitzerei aus. Allen Besuchern, die fragten, warum das denn sein müsse, wurde mitgeteilt: "Das Holzoriginal ist leider in einem unzeigbaren Zustand, das geht eben nicht anders. Außerdem hat sich außer Ihnen noch nie jemand beschwert."

Zunächst wies im Ausstellungskatalog ja noch ein kleiner, verschämter Hinweis auf die Plastik-Kopie hin. Schließlich ließ man diesen dann auch noch weg.

 

Ja, die Geschichte endet hier ein Wenig abrupt, denn das Ende ist noch nicht geschrieben. Es wird aber sicher bald kommen.

 

 

Irgend welche Parallelen zu einer realen Situation sind natürlich rein zufällig ;-)

Geschrieben

Das gefällt mir. Doch so gerne ich bei der Holzschnitzerei bleiben möchte, um die Geschichte weiterzuspinnen (Der weiße Hai 18 wie in Back to the Future II im Hintergrund), bleibt ein grundsätzlicher Unterschied zur Wirklichkeit.

 

In der Wirklichkeit ist ein optisches Thema mit ganz eigener Tradition in den Sog der Numerik geraten. Anders ausgedrückt: Etwas für die Augen, wie die Malerei auch, wird hinter einem Datenraster beobachtet. Brutalix, fertig

 

In 1000 Jahren leben Menschen das Wassermann-Mittelalter. Sie werden kaum mehr etwas von der Qualität des Fische-Zeitalters mitbekommen, das von Königen und Päpsten bestimmt war, aber auch von feinem Gespür und einer Vielzahl von Handwerksberufen. Sie werden kaum mehr unmittelbar mit den Materialien zu tun haben, sondern machen lassen. Es wird für fast alles eine Handhabe geben, eine Einrichtung, ein Gerät.

 

Ich verstehe das Unbehagen vor der Computerwelt gut, teile es. Die Hoffnung bleibt aber auf jeden Fall, daß jeder neugeborene Mensch, weil er selber seine Umgebung entdecken muß, Gespür entwickelt, da er nur mit seinem eigenen Körper die Physik erfährt. Jede/r muß auf die Nase fallen, um etwas über sein Gleichgewicht zu lernen. Kinder werden sich noch Hunderttausende Jahre die Finger verbrennen und die Knie aufschürfen. Brennnessel, Eis, Holzsplitter, Bärlauchduft, Wasserrauschen, pfeifender Wind, Alkohol, Irrlicher in der Nacht, das verschwindet nicht. Sobald jemand den körperlichen Kontakt mit der Welt sucht, kann sie oder er auch das Kritzeln und Malen und das Experimentieren mit Substanzen kosten. Wir sind auch Chemie. Über die Chemie gelangt man zur Fotografie und zum Film.

 

Das Phänomen Film ist am schlechtesten aufgehoben bei den Digitalen und im Museum. Wie soll man auch ein Kino in ein Museum stellen! Das Glück ist, daß die Mechanik nicht verschwindet. Jedes Türschloß ist Mechanik. Motoren, Pumpen, selbst der Computerlüfter: Mechanik. Es wird immer Leute geben, die Plastikfolien herstellen können, diese mit einem Fotoleim beschmieren, in Streifen schneiden und lochen. Eine Filmkamera bauen ist auch keine Kunst. Der Film wird immer von jemandem gelebt werden wie die Daguerreotypie (ja, es wird heute noch nach dem Verfahren von 1839 gearbeitet), der Bromöldruck, die Lithografie, der Tiefdruck, der Buchdruck, der Letternsatz, der Zeilengußsatz, die Handschrift, das Briefeschreiben, das Blumenbinden, das Tischdecken, das Kochen, das Schlachten, die Jagd, die Fischerei.

 

Das alles ist computerfrei. Alles Schöne, nicht Meßbare und als Geldwert Faßbare ist vor dem Computer sicher. Die Poesie, das Drama, die Erzählung, der Witz im Alltag, das stirbt nicht. Es werden sogar wieder viel romantischere Zeiten kommen als die heutige. Wer weiß, vielleicht geht's dann der Datenklauberei an den Kragen . . .

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