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Kurfürstendamm


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Geschrieben

Der Berliner Kurfürstendamm war jedenfalls mal die Kinomeile in Deutschland. Bekanntermaßen ist von den Kinos nicht viel übriggeblieben - in den letzten zwanzig Jahren hat sich der Charakter des Ku'damms entscheidend verändert, nicht immer zu seinem Vorteil. Im Vorfeld des 125jährigen Jubiläums (im Jahre 2011) wirft ein gerade erschienener, im Auftrag der Universität der Künste herausgegebener Sammelband jedenfalls auch einen Blick auf ehemalige Ku'damm-Kinos (darunter das MGM - schluchz) und interviewt daneben Hans Helmut Prinzler ("Retrospektive"), der besonders das ASTOR vermisst (dito!), und Franz Stadler, der mit dem FILMKUNST 66 den 'Mikrokosmos' der Bleibtreustraße (zwischen Savignyplatz und Ku'damm) entscheidend verändert hat. *)

 

*) Für alle, die mit Berliner Verhältnissen nicht ganz so vertraut sind: Die Bleibtreustraße hatte in den beginnenden siebziger Jahren einen denkbar schlechten Ruf; gewalttätige Auseinandersetzungen unter rivalisierenden Banden aus dem Rotlichtmilieu wurden gelegentlich auch mit Faustfeuerwaffen ausgetragen (im Volksmund war deshalb die Abwandlung "Bleistreustraße" nicht unbekannt). Das '66 zog mit einem ambitionierten Programm (beginnend mit EASY RIDER) ein völlig anderes Publikum an den Savignyplatz - und trug entscheidend zum Wandel bei. Heute findet sich hier ein breites Spektrum von Kneipen, Restaurants, Läden und Lädchen, die die Vergangenheit nicht mehr erahnen lassen.

 

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http://www.imhof-verlag.de/neuerscheinu...hichte.htm

Geschrieben

Das Schluchzen - dies eine persönliche Anmerkung von mir, der glaubt die Interna genug genossen zu haben - hätte sich der ehemalige Direktor der Deutschen Kinemathek, Hans-Helmut Prinzler, freundlicherweise verkneifen sollen.

 

Mit Verlaub: was tat Herr Prinzler, als man ihn auf das drohende Kinosterben aufmerksam machte und um Unterstützung bat? Er erwiderte, dies seien eben Entwicklungen auf dem Grundstücksmarkt und im Immobiliengewerbe, die man nicht ändern könne.

Was geschah, als sich die Schliessung des alten Astor-Kinos an der Fasanenstrasse ankündigte? Herr Direktor Prinzler hielt es, trotz Anfrage, nicht für nötig, sich an der Abschlussveranstaltung programmatisch zu beteiligen, etwa in der Tradition der langjährigen Retrospektiven der Kinemathek zu den Filmfestspielen ebendort: dabei hätte es noch andere Möglichkeiten gegeben, etwa eine Betriebsbeteiligung am Astor.

Stets waren aber die Antworten der Deutschen Kinemathek hinsichtlich der Herrichtung einer Dauerspielstätte im traditionellen Ambiente, daß man sich "niemals mit privaten Betreibern" zusammentun werden (O-Ton Werner Sudendorf, stellvertretender Direktor der Deutschen Kinemathek).

Was tat Herr Prinzler und seiner Retrospektivenleiter, als Filmfestspieldirektor Moritz de Hadeln - nach einer leider mißlungenen CinemaScope-Retrospektive der Deutschen Kinemathek von 1993 - die Kinemathek ermutigte, endlich eine Retrospektive des 70mm-Films (evtl. im Royal-Palast) abzuhalten? Prinzler und Adlatus wehrten sich mit Händen und Füßen gegen Realisierung derart grosser Vorhaben, die zudem "allenfalls 50 Leute" interessierten.

Wie reagierte Herr Prinzler, als der Abriß des Royal-Palastes im Europa-Centers beschlossen war (aber das Center-Management immerhin noch Grünes Licht für eine Abschlussveranstaltung gab), als man die Kinemathek um Mithilfe/Ausrichtung/Beteiligung usw. bat? Nichts.

Nachdem fast nichts mehr da war an Traditionskinos, stellte sich Prinzler - nach zahllosen Beschwerden an seine Dienststelle, die Kinemathek täte nichts für die Kinos - während der Filmfestspiele der Öffentlichkeit, vergoß Krokodilstränen und kommentierte süffisant das Bildbändchen seines Freundes Volker Noth über ein Dutzend Kinofassanden der 1990er Jahre. Auch war sich der Kinematheksdirektor nicht zu schade, etliche Betreiber als "Verrückte" zu bezeichnen.

 

Nun: für ihn, der die ehemalige Kinemathek zum Fernseh- und Videomuseum umformte, können diejenigen, die existentiell um den Kinoerhalt kämpften, nur Verrückte sein.

Er selbst (mittlerweile Mitglied im Rundfunkrat des Senders rbb) und die Kinematheks-Angestellten - subventioniert vom Bundesbeauftragten für Kultur (BKM) - standen nie vor der Herausforderung, ihr Filmarchiv regelmässig in die Öffentlichkeit tragen zu müssen, wie dies jeder redliche, gewerbliche Verleiher tun muß. Weshalb es nach Aussagen des dortigen Digitalisierers Koerber in Kürze zum völligen Ausleihstop der Filme kommen werde, sobald die Filmoriginale gescannt und zum Download-Vertrieb zur Verfügung gestellt werden.

 

Wenn solchen Trägern des Bundesverdienstkreuzes die Universität der Künste jetzt die Ehre zukommen läßt, über traditionelle Filmtheaterbetriebe Aussagen zu treffen, erscheint es mir so, als wenn man den Bock zum Gärtner machte.

Geschrieben

Solche pseudonostalgischen Einlassungen von öffentlichen Kulturfunktionären dienen der nachträglichen Rechtfertigung, warum sie in ihrem ureigenen Fachgebiet keine Position bezogen haben, sondern nur zynisch-resigniert beobachtet haben.

 

Mit einem Wort: Krokodilstränen!

  • 1 Jahr später...
Geschrieben

Und nun ist es wirklich soweit: Der Kurfürstendamm wird in diesem Jahr 125 Jahre alt - wenn auch die diesbezügliche Zeitrechnung ein wenig willkürlich erscheint. Der heutige Teil einer diesbezüglichen Serie im TAGESSPIEGEL nennt noch einmal einige der Kinos aus alter Zeit, daneben aber auch den Lunapark mit allabendlichem künstlichem Vesuv-"Ausbruch" und dem Untergang von Pompeji auf einer Freiluftbühne mit riesigem Wasserbecken. Nachzutragen wäre noch, dass am Kurfürstendamm auch der erste Tonfilm gezeigt wurde - im "Alhambra" am Kürfurstendamm 68 (direkt am Adenauerplatz). Eine Gedenktafel erinnert noch heute daran.

 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/dreieinhalb-kilometer-pures-vergnuegen/4104886.html

http://de.wikipedia....%C3%BCrstendamm

http://www.berlin.de...n/alhambra.html

 

 

Am Sonnabend in einer Woche (7. Mai) öffnen die Investoren des Haus Cumberland (Kurfürstendamm 193/194) ein wenig die Tore und zeigen den derzeitigen Zustand (vor den großen Investitionen). Hoffentlich wird bei dieser Gelegenheit auch ein Blick in den Kinosaal des ehemaligen "Filmtheaters Berlin" (aka "Fox im Palmenhaus" und "Neöson-Theater") möglich sein. Eine Filmvorführung (oder wohl eher Videoprojektion?) soll es auch geben - im ehemaligen Kaisersaal mit einem Film, der (teilweise) im Cumberland gedreht wurde (vermutlich "Das Bourne Ultimatum").

 

http://www.filmvorfu...r/page__st__797

  • 2 Wochen später...
Geschrieben

Kein Grund zum Feiern! Einst war der Kurfürstendamm eine Kinomeile, aber dort fand ein grenzenloser Kahlschlag an Kinos statt. Denkmalschutz ist nicht existent, oder bezieht sich höchstens auf Fronten. Flanieren wir die Straße mal auf & ab:

 

Kurfürstendamm 12: GLORIA-PALAST. 1953 erbaut von den Architekten Fehr & Jäckel. Einst Uraufführungstheater, Berlinale-Spielstätte im geschwungenen 50er-Jahre-Stil. Hier gab es einen großen 900-Plätze-Saal mit kleinem Rang & Verbeugungspodest statt einer Bühne. Mußte um 1987 wegen eines Bekleidungsgeschäfts unbedingt umgebaut werden, also zerstört, Neubau, um 180° gedreht & 1998 geschlossen. Im gleichen Haus befand sich das Studiokino Gloriette.

Wer von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche kann die Front nicht übersehen. Eine markante 50er-Jahre-Front mit dem Logo GLORIA-PALAST, erhalten ist auch das Äußere einer 50er-Jahre-Kasse & ein rundes Treppenhaus im Stil der 50er. Mit all dem ziert sich jetzt ein Bekleidungsgeschäft. (Markennamen überflüssig!)

Bildbeispiele findet man im "Berliner Kinokompendium":

http://www.kinokompendium.de/gloria.htm

 

Kurfürstendamm 25: BIO-FILMTHEATER. 1910(!)-1979. Zu beachten ist das frühe Entstehungsdatum vieler Kinobauten auf dieser Kinomeile! Erste 3-D-Vorführungen nach dem Krieg. Zerstört.

 

Kurfürstendamm 26: FILMBÜHNE WIEN. 1912/1913 erbaut als UNION-PALAST im späten Jugendstil. Einst Wilhelminischer Vergnügungspalast, unten zweistöckiges "Konzertcafé", Schauplatz einiger Romane, oben Premierenkino mit ~900 Plätzen & 2 Rängen. Hier wurde das "Wachsfigurenkabinett" von Paul Leni uraufgeführt. "Das Kino besaß Berlins erste

CinemaScope-Leinwand & gehörte zeitweise zu den Spielorten der Berlinale." (Wikipedia).

Krasse Unterteilung in 8 Säle ab 1972 unter Heinz Riech. Man lese dazu "Kino wie es keiner mag" von Rolf Giesen oder auch im Kinokompendium. War mal als Spielstätte für die Schaubühne angedacht, siehe UNIVERSUM.

Anfang der 80er besuchte ich das große Kino 1: Entdeckte einige wenige Jugendstilspuren im Treppenhaus, im Foyer & im großen Saal, damals noch mit Rang. Im Kinokompendium finden sich herrliche, aber grauenerregende Beispiele für die jeweiligen Zustände des Hauses. Stand ab 2000 leer, dann völlige Entkernung & Zerstörung des Inneren, Ausweichquartier eines Kaufhauses, 2007 zwei Jahre Dali-Ausstellung & danach wieder leerstehend u.a. wegen Baumängeln. "2011 plant das amerikanische Computerunternehmen Apple die Eröffnung eines großen Showrroms in dem Haus."

http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/filmbuehne_wien.html

Eine Postkarte des Haus Wien findet man im Internet bei "Carthalia", vgl. auch Ansichten bei "Alle Kinos".

 

Kurfürstendamm 64-65: HOLLYWOOD. 1954-1983. Schlichte moderne Hochhausfront, von außen eher unspektakulär wirkend.

 

Kurfürstendamm 68: ALHAMBRA. 1921-1952. 1948 Umbau des ehemaligen Foyers zum Kino "Bonbonniere", 1953 abgerissen. Danach Hotel. Hier wurde 1922 der erste Lichttonfilm vorgeführt. Plakette erinnert daran. "Der Kinosaal der Bonbonniere wurde zunächst als dessen Tanzbar, später als Frühstückssaal des neuen Hotels Kurfürstendamm genutzt." (Wikipedia)

 

Die nächsten Bauten liste ich nur auf, da ich sie nicht kenne (näheres bei Sylvaine Hensel nachzulesen):

Kurfürstendamm 71: STUDIO (1926-1990)

Kurfürstendamm 140: SABA (1950-1967) Eröffnet als "GNOM-LICHTSPIELE"

(Ich erwähne hier übrigens nur Bauten, die nach dem 2. Weltkrieg existierten!)

 

 

Kurfürstendamm 153: UNIVERSUM, auch UNIVERSUM AM LEHNINER PLATZ. Später HALENSEE PALAST, nach dem Krieg: CAPITOL. In jedem Architekturbuch, das Berliner Kinogeschichte erwähnt, liest man von Erich Mendelsohns UNIVERSUM. 1929 erbaut. Markanter unübersehbarer U-förmiger Kinobau vergleichbar mit den britischen Odeon-Kinos. Vom Äußeren Platz für Geschäfte & Gastronomie. Innen ein moderner, etwas langezogener Zweckbau mit Parkett & dennoch hufeisenförmigen Rang für 1791 Plätze. Bauhausstil streng funktional & dennoch eine Augenweide. Zitiere 110 für Funktionalität. Schildkrötendach statt Kuppel, Entlüftungsschlot statt Reklameturm,

Bei der Eröffnung hielt Mendelsohn eine Rede, in der er diesen Stil auf den Punkt brachte kurz zusammengefaßt: Schildkrötendach statt Kuppel! Entlüftungsschlot statt Reklameturm! Kein Rokkokoschloß für Buster Keaton!

Stätte zahlloser Uraufführungen. Nach dem Krieg 1948 wurde im früheren Foyer ein Kino namens STUDIO eröffnet, 1950 folgte das CAPITOL im Bereich des früheren Großkinos. 1957 Umbau durch Gerhard Fritsche. Hier liefen auch Cinerama & 70mm. 1969 Theater für das Musical Hair & dann geschlossen. Zerstört wurde es mehrfach, aber völlig durch den Neubau 1979ff als Schaubühne. Erhalten ist hier gar nichts, nur die äußere Form wurde übernommen. Innen Mehrzweckhalle für modernes Theater, indiskutabel. Angeblich war die Bausubstanz marode. (=Alles Vorwände: Woanders spielen sie Theater in Fabrikhallen & reißen die auch nicht einfach ab, weil die Form nicht theatergemäß ist.)

Auf der Webseite der SCHAUBÜHNE kann man mittlerweile sehen, daß das, was im Internet als Rekonstruktion, ein Totalabriß war. Man gehe auf:

http://www.schaubühne.de/de_DE/house/architecture/

und klicke dann rechts das wort FOTOS an & dann sieht man, wie wenig von der Front 1979 übrig war. Seinerzeit sogar in der Frankfurter Rundschau kritisiert & ich sahs selbst bei meinem ersten Berlin-Trip, Spätherbst 1979.

Übrigens stand nebenan das vom gleichen Architekt erbaute KABARETT DER KOMIKER, Kabarett, Restaurant- & Rauchtheater, gleichfalls zerstört. Heute diverse Gastronomiebetriebe. Einzig erhalten von diesem Komplex scheinen noch die dahinter liegenden Wohnungen.

Hier eine Zeichnung, die aber den kreisrunden Innenraum des Rauchtheaters zeigt:

http://i.ebayimg.com/18/!CDZ-+IgCGk~$%28KGrHqIOKkIE0Weu9OriBNOdJUTp6w~~_35.JPG

 

Kurfürstendamm 193: FILMTHEATER BERLIN. 1924-1988. "Gebäude erhalten, Kino zerstört". (Hensel/Schmitt) Siehe Thread dazu in diesem Forum

http://www.filmvorfuehrer.de/topic/10513-filmtheater-berlin/page__p__136185__hl__%2Bfilmtheater+%2Bberlin__fromsearch__1#entry136185

 

Kurfürstendamm 202: MGM-FILMTHEATER FENSTER ZUR WELT. Spezialbau der MGM für ihre wenigen deutschen Flaggschiffe mit Riesenleinwand, eröffnet mit dem CinemaScope-Film "Der Schwan". Typische 50er-Jahre-Architektur, mit Riesenrang über dem Foyer & Großbildwand & 70mm-Projektoren. Die Gestaltung des Saals war in etwa vergleichbar mit dem Frankfurter MGM-Theater/ROYAL, aber breiter. (Man ging wohl damals davon aus, daß entweder 70mm oder Cinerama sich durchsetzen würden.) Bestand nur von 1956 bis 1977, danach Totalabriß.

 

Kurfürstendamm 208-209: THEATER AM KURFÜRSTENDAMM. 1921 vom berühmten Theater-Architekten Oskar Kaufmann erbaut, im Krieg stark zerstört, 1946 wiedereröffnet. Ein kühnes Parkett-Theater, expressionistisch anmutend, mit ringsumlaufenden Logen. 1948 ca. 1 Jahr als Kino genutzt. Historischer Theaterbau, vom Abriß bedroht. Leider hinter einer gräßlichen Front, die kein Theater erkennen läßt. War in vergangenen Jahren vom Abriß bedroht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Theater_am_Kurf%C3%BCrstendamm

 

Kurfürstendamm 211: CINÉMA PARIS. Erhalten! 50er Jahre-Bau. Frz. Botschaft & Arthouse & Denkmalschutz! Mittelgroßer Saal, durch Bühnenform bedingt keine besonders große Leinwand, neu bestuhlt. Ein Glücksfall!

 

Kurfürstendamm 217: ASTOR. Äußere Front erinnert kaum noch an das jahrzehntelange Kino. Hier liefen jahrzehntelang die Retrospektiven der Berlinale. Innen ein etwas angestaubter Saal mit Seitenrängen, unter 500 Plätzen, einst mittelgroß, war gut erhalten, in den 80ern noch als Arthouse-Spielstätte erlebt. Jetzt Bekleidungsgeschäft ohne erkennbare Kinospuren. Nicht zu verwechseln mit ASTOR FILMLOUNGE.

 

Kurfürstendamm 225-226: ASTOR-FILMLOUNGE. Erhalten! Eröffnet als KINO IM KINDL, später UFA PAVILLON, UFA-PALAST KURFÜRSTENDAMM, FILMPALAST. Gut erhaltenes Kino aus den 50ern mit einer einzigartigen muschelartigen Decke des Architekten Gerhard Fritsche. Neue Bestuhlung, gastronomisches Angebot. Nutzung als Arthousekino. Spielt sogar gelegentlich Matineen in 70mm mit raren Kopien eines renommierten Sammlers vor ausverkauftem Haus!

 

Kurfürstendamm 227: KINOS IM KU'DAMM-ECK/BLUE MOVIE/SMOKIEMARMORHAUS 5 & 6. 149 + 204 Plätze. In einem Hochhaus, eine klotzige Komposition weißer Kuben, mit 6geschossiger Einkaufspassage, erbaut zwischen 1969-1972, waren allerhand Vergnügungsstätten angehäuft, u.a. Gastronomie, Kegelbahnen, ein Wachsfigurenkabinett & auch zwei kleine Kinos. Ich sah mir lieber im Panoptikum die Abnormitäten als diese Kleinstkinos an. 1996 geschlossen, 1998 abgerissen. Heute Bekleidungshaus & Hotel.

 

Kurfürstendamm 236: MARMORHAUS. Auch ein Bau von 1912/1913 im späten Jugendstil nach Entwürfen von Hugo Pal. "Die expressionistischen Wand- & Deckenmalereien im Foyer & Zuschauerraum gestaltete der Maler César Klein. Er entwarf auch die farbige Glasdecke im Foyer, ausgeführt von der Firma Puhl & Wagner in Berlin-Neukölln." (Wikipedia)

In den 80ern starke Zellteilung, auch in den Foyers kaum Spuren des Jugendstil-Kinopalasts. Einst ein Premierenkino mit stilvollen Foyers & Kino im 1. & 2. Stock mit geschwungenem hufeisenförmigen Rang. Später Zellteilung durch Riech, dann Leerstand & zerstört durch völlige Entkernung. Nach Renovierung 1998, Schließung 2001. Jetzt steckt hinter der früheren Kinofront ein Bekleidungsgeschäft. Vgl. auch hier Kinokompendium.

Bilder des MARMORHAUSES mit Frontansicht, Kinosaal & Grundrissen auf einer PDF-Datei, S. 37-40

http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2006/559/pdf/BAW_1914_07.pdf

 

Fazit: Gerade mal zwei Kinos von über 16 Kinos blieben erhalten: CINEMA PARIS & ASTOR FILMLOUNGE. Beides Arthouse-Kinos. Ein gnadenloser Kahlschlag! Aus der Prachtstraße und Kinomeile Kurfürstendamm wurde ein Klamottendamm. Bekleidungsläden kommen und gehen wie Moden. Vielleicht wird in ein paar Jahren aus dem Ku'damm ein Ein-Euro-Damm?

 

Speziellen Undank an das Amt für Denkmalschutz & die dahinter steckenden Abnicker jeder Zerstörung. Wären diese Bauten Kirchen gewesen, hätte man sie längst unter Denkmalschutz gestellt. Gleichzeitig kann man die Linden-Oper für 239 Millionen umbauen. Nebenei: auch kein Denkmalschutz, sondern mehrfach zerstört, auch nach dem 2. Weltkrieg völlig neu erbaut & nur dem Vorgängerbau nachempfunden.

Wer sich mit der Geschichte von Theatern & Kinos beschäftigt, weiß wieviel im Lauf der Geschichte zerstört wurde. Zahllose antike Arenen wurden geplündert, um Baugrund & Baumaterial für Städte zu liefern. Folgte man der Logik des heutigen Kahlschlags, müßte man alle antiken Arenen Roms abreißen, weil mehrfach zerstört & unhistorisch erhalten oder aufgebaut.

Daß kultureller Kahlschlag nichts Neues ist, kann man bei Rüdiger Safranski in seiner Biographie über Schopenhauer vortrefflich nachlesen. Da heißt es über das Hamburg von 1800:

"Die hohe Kunst der Nützlichkeit war in Hamburg von umwerfender Wirksamkeit & machte vor nichts halt. Respektable & künstlerisch reizvolle Gebäude wurden hemmungslos abgerissen. Die Instandsetzung des alten Doms kostete zuviel Geld: Man riß ihn 1805 ein. Mittelalterliche Klosterbauten erlitten dasselbe Schicksal. (...) Stadttore & die Befestigungswerke wurden niedergerissen. Es verschwanden die Maria-Magdalenen-Kirche & das Englische Haus mit seiner berühmten Renaissancefassade. Auch die Bildergalerie des Rathauses konnte dem Geist der Nützlichkeit nicht widerstehen. Zu Spottpriesen verschleuderte man die Bestände, zu denen Bilder von Rubens & Rembrandt gehörten." ( Schopenhauer & die wilden Jahre der Philosophie. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2004)

Es wird Zeit, daß Denkmalschutz auch Kinos berücksichtigt - und dies gilt nicht nur für Fronten.

 

Literaturempfehlungen für Berliner Kinos:

Peter Boeger: Architektur der Lichtspieltheater in Berlin. Bauten & Projekte 1919-1930. Berlin, 1993

Sylvaine Hensel, Angelika Schmitt (Hg.): Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995. Berlin 1995

Senator für Bau- & Wohnungswesen: Der Mendelsohnbau am Lehniner-Platz. Berlin 1981

http://www.kinokompendium.de/

http://www.allekinos.com/

Geschrieben

Eine schöne Zusammenstellung, welche Erinnerungen wachruft.

Folgendes kann so aber nicht plakativ stehen bleiben:

Es wird Zeit, daß Denkmalschutz auch Kinos berücksichtigt - und dies gilt nicht nur für Fronten.
Der Denkmalschutz kümmert sich schon um Filmtheater. Zum Beispiel ist das zitierte Buch von Sylvaine Hensel und Angelika Schmitt das Ergebnis einer Initiative der Denkmalabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung .
Geschrieben

Ein herrlicher Mai-Abend im Frühjahr 2011: ein Hauptstadtboulevard erblüht!

 

Abgeschritten: der größte Kinofriedhof der Welt: Ganz Berlin feiert, und der Duft der großen weiten Welt liegt förmlich in der Luft.

 

Abgeänderte Ortsbeschriftung:

1. Friedhofszufahrt zum Marmorhaus, 2. Christo-Verhüllung der Gedächtniskirche, 3. digitalisierter Royal-Palast, 4. modischer Gloria-Palast, 5. Blue Movie 1 & 2, Smoky, Oscar und Camera tummeln sich im neuen Kudamm-Eck, 6. 5. mediatisierte Lupe 1, 7. versandete Filmbühne Wien, 8. futuristisches MGM-Theater Kurfürstendamm, 9. KuLi sowie ABC 1 & 2 - Publikumsmagneten des Kudamm-Karrees, 10. Lupe 2 - jetzt ägyptisch, 11. Kino Hollywood (es fehlt nur noch der Sunset-Boulevard)

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Geschrieben

12. Studio - die Filmkunst jubiliert, 13. Zoo-Palast brummt bärig, 14. Capitol Lehniner Platz - zurück zur Sprechbühne, 15. Astor Filmtheater - "Tommy" von Ken Russell läuft hier schon lange nicht mehr..

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Geschrieben

Wenn jetzt auch noch das Broadway an der Tauentzien geht ... der Kurfürstendamm ist schon länger in einer Umstrukturierungsphase, die ihm aus meiner Sicht nicht wirklich gut bekommt. Klamottenläden über Klamottenläden, Touris über Touris, und schließlich der Bedarf für die russische High Society - von Prada bis Porsche. Alles Klientel, das nicht ins Kino geht. Mich erstaunt in jeder Hinsicht der Mut von HJF, in diesem Umfang in den Zoo-Palast zu investieren. Was, wenn die nötige "kritische Masse" an Filmbesuchern nicht zustande kommt? Der Mikrokosmos um die Gedächtniskirche herum bietet dem Berliner nichts mehr, was auch nur einen Moment zum Verweilen einladen würde. Eingesessene findet man anderswo - in den Straßenrestaurants der Seitenstraßen (etwa in der Bleibtreustraße oder in der Schlüterstraße oder jenseits des Savignyplatzes); außer Sicht- und Rufweite des Zoo-Palasts. Hoffentlich gehts dem Zoo-Palast zum Schluss nicht wie dem umgebauten Gloria-Palast: eindrucksvolle Bildwand, moderne Sitze, vorzügliche Technik - aber dann hatte er gerade mal zehn Jahre Bestand ...

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