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Guenter Peter Straschek, gest. 09/2009


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Geschrieben

Günter Peter Straschek ist - neben den Nachrufen auf die Filmtheaterpatriarchen der Frontstadt Westberlin - auf der ganz anderen Seite der Skala ebenso für zeithistorische Einschnitte der Stadtgeschichte und unter den "Charakter"-Persönlichkeiten erinnerungswürdig:

er war einer der "religierten" Studenten der frühen dffb (Deutsche Film und Fernsehakademie): 19 angehende Regisseure wurden bei einer Besetzung des Direktorenbüros zwecks Herausgabe ihrer Filmmaterialien aus der Akademie "rausgeworfen" und erhielten vom Direktor Heinz Rathsack, späterhin Direktor der Deutschen Kinemathek und als "sozialdemokratisch-intolerant" verrufen, Hausverbote. Ausgenommen davon waren Wolfgang Peterson und Michael Ballhaus (Dozent für Kamera), die ja später in USA Karriere machten. Neben Straschek gehörten Hartmut Bitomsky (ein vorzüglicher Filmtheoretiker) und Harun Farocki (bekannt für seine den "militärisch-industriellen Komplex" entlarvenden Dokumentarfilme) zu den Religierten.

 

Mit Farocki bediente sich Straschek der Dienste des Kameramanns Holger Meins, dessen eigene Regiearbeit BAU EINES MOLOTOW-COCTAILS einen Tag nach einer Aufführung für zerberstende Schaufenster in den Büros der "Berliner Morgenpost" (Springer-Konzern) animierte.

 

Straschek, eigentlich Österreicher, war ein Filmkommunist der sanften Sorte, der die Integration der "Filmavantgardisten" in die "proletarischen Betriebe" dem Aufruf zu direkten Revolte vorzug [für die es in Westdeutschland auch nie einen Rückhalt gegeben hätte].

Seinen Film EIN WESTERN FÜR DEN SDS [sozialistischer Deutscher Studentenbund], den er beim "Go-in" in das dffb-Direktorat aus den dortigen Tresoren zurückverlangte (die dffb-Studentenfilme galten als Eigentum der Institution) konnte später nur noch aus Schnittresten textuell annähernd rekonstruiert werden.

 

Straschek schilderte seine dffb-Erinnerungen in der berühmten August-Ausgabe der von Enno Patalas gegründeten Zeitschrift "Filmkritik" von 1974, in der er die "opportunistischen" Zustände der westberliner Filmererziehungsbehörden geißelte und auch den Wankelmut solcher Dozenten wie Ulrich Gregor (Filmtheoriedozent und späterer Mitbegründer des "Kino Arsenal") mitsamt seinem "Sozialdemokratismus" als Unterwerfung unter das "Establishment" beschrieb.

Das Schlagwort "Charaktermaske" war in dieser Zeit noch sehr geläufig, und die Erfahrungen aus dem Vietnam-Krieg, des Schah-Besuchs in Westberlin wie auch der unbelehrbaren Elterngeneration radikalisierten ab 1967 die berliner Filmstudenten - sie mündeten in der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO), und führten bei Holger Meins und Ulrike Meinhof in den militanten Untergrund.

 

Straschek drehte später für den NDR eine Serie zur deutschen Exilantenforschung und betrieb seine Recherchen - weit über dem Niveau der heutigen Deutschen Kinemathek und deren Wiedergutmachungsprojekt 2011, dem sog. "Boulevard der Stars" - bis zu seinem Tod im September 2009 [der erst jetzt bekannt wurde].

Trotz der Politisierungen war er weniger ein Bewunderer des Essay-Films als des "synthetischen Spielfilms" [sprich].

Bekannt geworden ist auch seine Monographie "Handbuch wider das Kino".

Eine größere Publikation zu den Exilanten war über viele Dezennien geplant gewesen. Straschek war zuletzt Einzelkämpfer, der durch seine Neigung zu leicht rigoros-distanziertem Gestus jedwedem Establishment widerstrebte und mit seiner Exilantenforschung ein unvollendetes Werk hinterläßt.

Geschrieben

Ja, das von @cinerama erwähnte Heft der "Filmkritik" ist ein tolles Zeitdokument. Völlig irrsinnig Strascheks Erfahrungen mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit den Redakteuren und Kamealeuten, die meinen, ein Zoom sei von einer Kamerafahrt (für die man Schienen verlegen müßte) nicht zu unterscheiden. Auch die "Netzwerkarbeit" einiger Autorenfilmer, die sich "vom Publikum emanzipieren", wird sehr amüsant geschildert.

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