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Geschrieben

Zum Jubiläum eines der ersten Programmkinos der Republik steht dessen Begründer, Werner Grassmann, in einem Interview Rede und Antwort (ausgerechnet in BLICKPUNKT:FILM; ein trivial-borniertes Marketing-Blatt für jedweden audio-visuellen Hype, wenn er nur hipp genug sich liest).

 

Grassmann verteidigt die Anfänge, als auf nacktem Betonboden ausgfranste Sessel notdürftig montiert wurden und auf einem Holzrahmen etwas, was nach Leinwand aussah, aufgespannt wurde.

Zu dieser Zeit war es wichtig, gegen die Ödnis des Wirtschaftswunders aufzustehen und auch jenseits der Kunstkinobewegung neue Akzente zu setzen - und das konnte nur das politische Kino anschieben.

 

Heute sei davon nicht viel übrig - wie allgemein politische Auseinandersetzungen nicht mehr stattfänden. [und hier im Forum ebenfalls nicht, wo man großteils nur noch den Marktknecht herauskehrt, anstatt Visionen zu entwickeln, könnte man hinzufügen].

Statt Politikfilm residiert heute wieder das Kunstkino, aber auch ins 'Abaton' sei zeitgemäß der Luxus eingekehrt, der ein Lebensgefühl breiter Bevölkerungsschichten wiederspiegelt, so Grassmann. Kino-Neulinge mit geringem Etat und wenig Know-how hätten s. E. heute keine Chancen mehr.

[Darin täuscht er sich evtl., denn im Zuge der Digitalisierung der Gesellschaft entwertet sich auch der Standort "etabliertes Filmtheater" immer mehr: es wird mehr und bessere Kleinst- und Club-Kinos geben, und mit Blu ray Disc oder alsbald auch DCI werden Filme schneller, billiger und flexibler für das "orlose" Kino verfügbar werden].

 

Multiplexe, glaubt Grassmann, würden sich nur noch mittelfristig mit dem 3-D-Boom über die Runden retten, bevor sie endgültig zerfielen. Ihre Kälte und Anonymität seien keine Konkurrenz für die Warmherzigkeit der Programmkinos mit edlem Wein und schmackhaftem Café.

[Auch das ist als These anfechtbar: grosse Multiplexe sind als Immobilien für den Gesamtstandort von zentraler Bedeutung, und viele Investoren halten auch im Zustand mangelnder Rendite noch schützend ihre Hand über den Objekten. Auch entsprechen Nachos, Popcorn, die Discomusik, die Big-Loud-Movies und die kaufhausartige Atmosphäre den Bedürfnissen einiger Publikumsschichten. Die im Programmkino unter Depressionen litten. - Und auch Multiplexe sind nach Übernahme durch lokale Betreiber und Strukturänderungen in gewissen Grenzen entwicklungsfähig: mittlerweile als Konkurrenz zum Programmkino.]

 

Das kettengebundene Programmkino lehnt Grassmann ebenfalls ab, da dieses nach kurzer Zeit bereits einige Säle zu Mainstream-Sälen ummodelte, was vom anspruchsvollen Kunden nicht respektiert würde.

Grassmann glaubt aber an Anbindung von Lesungen, Konzerten und Tanzveranstaltungen im klassischen Programmkino.

[Dem wäre entgegenzusetzen: warum nicht die Ausweitung der Programmkinofilme mit markantem Profil und konzertierter Vermarktung ein ausreichendes Potential böte, um vermerht wieder mit dem Kinofilm (!) zu einer Auslastung der Säle zu gelangen. - Das derzeit virulente Starren auf Ersatzprogramme oder "Zusatzangebote" kann kaum darüber hinwegtäuschen, daß Filmtheater mit immer weniger Film eines Tages zu einem Paradoxon werden - oder sich zu Stätten anderer Warensortimente wandeln.]

 

So viel zu Werner Grassmann. Mit großen Verdiensten zwar, aber nicht klar genug darin, wohin die Reise geht.

Geschrieben
So viel zu Werner Grassmann. Mit großen Verdiensten zwar, aber nicht klar genug darin, wohin die Reise geht.

 

Wenigstens wissen andere, wohin die Reise geht ...

 

Würde schätzen wollen, daß 2012 weniger als ein Viertel der gewerblichen, heute spielenden Kinos noch existieren. Und 2015 kein einziges mehr.

 

Zu Werner Grassmann...gerade ist sein Buch erschienen:

 

"Hinter der Leinwand" - Film- und Kinogeschichten

 

http://www.edition-nautilus.de/programm...723-1.html

 

Empfehlenswert und sehr interessant, mit Humor und auch einer gehörigen Portion Selbstironie geschrieben.

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