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Geschrieben

Man nehme es mir nicht übel, wenn ich zur Zerstörung des Mythos um Edison beitrage. Thomas Alva Edison hat nichts für die Kinematografie erfunden. Die Entstehung der Filmformate ist auch komplizierter, als es in den einschlägigen Werken dargestellt ist.

 

Thomas Edison hatte im Gegensatz zu manchem in seinem Laboratorium arbeitenden Manne keine geschlossene Schul- und erst recht keine Technikbildung. Es war ihm trotz seiner sagenhaften Anstrengung, er soll jahrelang nur wenige Stunden täglich geschlafen haben, nicht möglich, die Zusammenhänge der Physik zu überblicken. Das zeigt sich zum Beispiel daran, daß sein Elektrizitätsnetz, das er teilweise mit Gewalt aufbaute, für Gleichstrom ausgelegt war. Wie wir wissen, haben die Wechselstromnetze den besseren Weg gefunden.

 

So verhält es sich auch mit seinem Beitrag zur Filmtechnik. William Kennedy Laurie Dickson (1859—1934) war vom Frühling 1883 bis zum 2. April 1895 Angestellter, ab 1888 Chef-Ingenieur bei Edison. Wie Dickson in einer Publikation 1894 beschrieb, wollte Edison für das Auge, was er mit dem Phonographen für das Ohr hatte. Dickson fing im Auftrag Versuche mit einer Bildwalze an. Diese kam mit der Schallwalze auf eine gemeinsame Welle. Vergegenwärtigen wir uns, daß zu der Zeit, 1888-89, Schallplatte und Film erfunden, jedoch nur ganz wenigen Spezialisten bekannt waren. Die Schallplatte, das hier nebenbei, erfand der Deutsche Emil Berliner. Sie hat Seitenschrift im Gegensatz zur Schallwalze Edisons und klingt deshalb besser.

 

Die Erfindung Film, klardurchsichtig farbloser und biegsamer dünner Kunststoff mit Trockengelatinebeschichtung, meldete Hannibal Goodwin (1822—1900) 1887 zum Patent an. 1898 wurde es ihm zugestanden.

 

Dickson erzeugt mit einer Mikroskop-Optik Bilderreihen auf der Walze seiner Versuchsapparatur. Die Bedingungen dafür sind schlecht: Die Belichtungszeit beträgt im besten Falle 1/92 Sekunde. Aus der Bauart der Stromumformer von Edison hat Dickson Wechselspannung mit 46 Perioden in der Sekunde zur Verfügung. Es ist ihm klar, daß etwa gleich viel Zeit fürs Drehen oder Weiterschalten der Walze nötig ist wie für die Belichtung. Die spektrale Empfindlichkeit des Materials ist auf Ultraviolett, Violett und Blau beschränkt, denn Ortho- und Panchromasie werden erst gerade entdeckt. Die Empfindlichkeit reicht aber aus für gute Bilder in vollem Sonnenlicht.

 

Nach dem Entwickeln und Kopieren der auf die Walze gespannten Planfilmblätter lagen positive Bildreihen zur Betrachtung mittels Blitzröhre nach Heinrich Geißler (1814—1879) vor, doch die Auflösung in den winzigen Bildchen war so schlecht, daß Edison die Sache ab Herbst 1890 auf sich beruhen ließ.

 

Dickson entdeckt in der Fachpresse, daß in Europa ein gewisser Marey chronofotografische Experimente auf Platten und Papier durchgeführt hat. Mit den Projektionen des englischen Fotografen Muggeridge alias Muybridge im Gedächtnis geht Dickson auf, daß es nun um ein möglichst leichtes und gleichzeitig widerstandfähiges Material geht, welches größere Phasenbilder zuläßt. Celluloïd ist bekannt, doch das ist undurchsichtig.

 

Celluloïd war der erste Kunststoff. Die Brüder John Wesley und Isaiah Smith Hyatt fabrizierten es ab 1868-69 nach einem Patent des englischen Professors Alexander Parkes. Ab 1850 stellte dieser aus Nitrocellulose und Campher einen festen, aber biegsamen Stoff her, den er Parkesine nannte.

 

Mit Amylacetat aufgelöst, erstarrt Celluloïd glasklar. 1882 fand John H. Stevens bei der Celluloïd Manufacturing Company Isoamylacetat als dieses Lösungsmittel. Mit dem Patent an Goodwin entstand den Pionieren ein großes Problem. Dem Methodistenpfarrer und Hobby-Chemiker war der Wurf gelungen, doch er war gesetzlich geschützt. George Eastman setzte sich ganz einfach darüber hinweg und begann mit dem Jungchemiker Henry Reichenbach zusammen 1889 Celluloidfilm herzustellen. Sie ließen erst auf langen Tischen in der Breite von einem Fuß vergießen. Die fotografische Schicht wurde etwas schmaler aufgetragen, damit sie gut haftet. Nach dem Wegschneiden von beidseits einem halben Zoll verblieben elf Zoll, woraus vier Streifen gewonnen wurden. Das ist, was Dickson im Juli 1891 in Rochester sah. Was dem vorausging, in Europa, liegt noch im Dunkeln, doch das ist auch eine andere Geschichte.

 

Es liegt auf der Hand, daß die Nachricht von Streitigkeiten zwischen dem Erfinder des biegsamen Glases und einem finanziell erfolgreichen Mann bei Edison die Glocken läuten ließ. Man las es in den Zeitungen. Dickson wurde angewiesen, die Sache mit den bewegten Bildern neu anzugehen.

 

Er kauft auf Rechnung von Edison vier Rollen von dem neuen Material. Bei Kodak läuft das Geschäft mit der Box-Kamera an, die nicht der Belichtung von Platten dient, sondern von Rollfilm. Die Erfindung des fotografischen Rollfilms mit Papierschutzstreifen kaufte Eastman dem Kamerabauer Samuel N. Turner ab. Die Kodak-Box wird ab 1895 mit Rollfilm von 2¾ Zoll Breite bestückt (69,85 mm). Dicksons Versuche ergeben schnell, daß es als Nächstes um den Kompromiß zwischen Filmmasse und fotografischer Auflösung geht. Georges Démény (1850—1917), Assistent und Präparator von Professor Marey, war 1893 mit beschichtetem Papier und Celluloidfilm in der Breite von sechs Zentimetern der Lösung der kinematografischen Grundaufgaben nahe gekommen. Von Emile Reynaud (1841—1918), der 1878 an der Weltausstellung sein Praxinoskop vorgestellt hatte, übernahm Démény die Idee der Perforation. In Fotografenkreisen waren auch die Versuche des Engländers William Green mit perforierten Papierstreifen bekannt (ab 1885). Doch bleiben wir in West Orange.

 

Dickson weiß von Déménys Arbeit. Der Franzose ungarischer Abstammung setzte links und rechts vom Phasenbild je vier rechteckige Löcher an. Doch der Schotte bezieht in seine Überlegungen auch die Länge der Filmstreifen ein. Er fragt in Rochester nach. Sie sind roh eine Chain lang, 66 angelsächsische Fuß. Davon sind 60 Fuß nutzbar, 18 Meter. Mit seinem fotografisch geschulten Auge sieht er, da ja Bewegung aufgenommen werden soll, den Menschen vor sich. So wie man sich bei einer Unterhaltung, auch bei einer Porträtsitzung beim Fotografen wahrnimmt, passen die Filmlänge und mögliche Handlung zusammen.

 

Johann Heinrich Krüsi (1843—1899), Schlosser und Apparatebauer bei Edison, schneidet auf Geheiß von Dickson Streifen aus dem Kodak-Film. Die erste Breite von einem halben Zoll ist unbefriedigend. Wenn das Material der Länge nach geteilt wird, mißt es 1⅜ Zoll. Im Kinetografen bewegt Dickson diesen Streifen durch Zahntrommeln in Verbindung mit einer Art Rätsche. Die Bildbreite soll jetzt einen Zoll betragen. Das Gefühl sagt, daß die einzelnen Momentfotografien kurz zu belichten seien. Sie sollen keine Bewegungsunschärfe haben. „Mit dem Schritt von einem Zoll bekomme ich quadratisches Bild.“ Das Gefühl sagt, daß ein querrechteckiges besser zur Bewegung passe.

 

Genau darin liegt das Geheimnis, wie Dickson zum Seitenverhältnis 3:4 kam. Im Rechteck mit den Seiten 3 und 4 liegt das rechtwinklige Dreieck mit den Seiten 3-4-5. Es ist das Dreieck mit den Seitenverhältnissen in den kleinsten ganzen, ungleichen und sich folgenden Zahlen. Ein Zauber ruht in dieser Geometrie. Seit Menschengedenken und bis heute kann man 3-4-5 als dynamisches Dreieck empfinden. Eine Spannung wohnt ihm inne, die in Malerei und Fotografie stets eher unangenehm aufgefaßt wird, der Kinematografie dagegen willkommen ist und zu ihr paßt. Filmschritt ¾ Zoll und Bildbreite ein Zoll, nachrechnen, das sind über 50 Fuß 800 Phasen. Bei 46 Phasen je Sekunde also 17 Sekunden Laufzeit.

 

Was kann man in einer Viertelminute darstellen? Wie jemand einen kurzen Witz erzählt, ein wie lebend wirkendes Porträt mit der Stimme einer vertrauten Person vielleicht? So wägt Dickson ab. Immer müssen die Aufnahmen in der prallen Sonne geschehen. 1891 ist das Kinetoskop fertig. Damit einem die Sonne nicht davonläuft, baut man eine Drehbühne. Mit ihr kann man den ganzen Tag lang filmen. Das Eastman-Material ist billig.

 

Ein Wechselspiel aus technischen, ökonomischen und ästhetischen Faktoren hat zum Bildseitenverhältnis von 3 zu 4 geführt. Das Werkzeug zum Herausstanzen der Löcher hat ein Standartmaß im Maschinenbau, ein Zehntel Zoll. Wenn man nicht gerade den quadratischen Vierkant nimmt, sondern wieder querrechteckige Form, wird der mechanisch belastete Steg zwischen den Löchern breiter.

 

In Lyon führt Vater Lumière den Dickson-Film ein. Der Chef-Mechaniker der Lumière, Charles Moisson (1863—1943), versteht nicht, was die vielen Löcher in den Filmrändern sollen. Er baut im Auftrag von Auguste Lumière 1894 einen ersten Apparat, der 35 mm breiten Papierfilm während des Laufs perforiert. Beidseits des Bildfensters entsteht je ein kreisrundes Loch. Das Bildfenster ist 20 auf 25 Millimeter groß, Lochabstand und Filmschritt betragen 20 Millimeter.

 

An der Weltausstellung von 1900 setzen die Lumière auch Breitfilm ein, das Maß ist 75 mm. Nachdem Dickson Edison verlassen hatte, baute er für die AMC einen 2¾-Zoll-Film-Apparat, den Biograph, ebenfalls eine perforierende Kamera.

 

Ausschlaggebend für das Entstehen eines so genannten Normalfilms war die Aufführung, der Ort der Geldeinnahme. Für den Edison-Dickson-Film sind mehr Guckkästen und Projektoren gebaut worden als für die anderen Formate. Der Projektor ist solider, muß viel mehr Film transportieren als eine Kamera. Er wird für längeren Gebrauch konstruiert und ist teurer. Zwangsläufig erfolgte die Anpassung bei den Kameras, so daß nach dem ersten internationalen Kongreß der Filmindustriellen zu Paris 1907 alles Breitere und Schmalere als 1⅜ Zoll wegfiel. Der Normalfilmschritt beträgt seit jenem Jahr 19 Millimeter, eine Spur weniger als ¾ Zoll.

 

Die von der Bell-&-Howell-Gesellschaft ab 1908 verkaufte Perforiermaschine für die „Edison“-Streifen erzeugte dann die bis heute übliche Lochbreite

von 0.11" (2,8 mm).

 

George Eastman und Charles Pathé waren sich nach dem Weltkrieg einig, daß ein großer Markt auf Ausbeutung wartet, Heimkino. Pathé kam auf Weihnacht 1921 als Erster heraus mit dem Baby-Projektor, damit man im Familienkreise Filme aus dem Répertoire der Pathé anschauen konnte. Weil die Hunderte von Max-Linder-Lustspielen und Dramen nach der Erstauswertung bloß noch im Archiv lagen, drängte der Zweitmarkt sich förmlich auf. Es war auch abgesprochen, daß Laien nur Sicherheitsfilm in die Hände gegeben werden dürfe.

 

1923 lief der Handel mit Ciné-Kodak-Substandard an. Die erste Kamera lieferte der Schwede Alexander F. Victor, Davenport, auch ein Ex-Edisoner. Der Entwurf des 16-mm-Films stammt aus Chicago mit Lochabstand 0.3" und Bildbreite 0.4". Ränder und Perforation führen fast von selbst zu ⅝ Zoll Filmbreite. Im Nachgeben der sich langsam dem französischen Metersystem nähernden Welt wurde 16 Millimeter als Höchstmaß festgelegt.

 

Wichtig bleibt beim Film, daß man mit ganzen Zahlen rechnet. Schmalfilm 16 hat 40 Bilder pro Fuß, Kleinfilm Doppel-8 die doppelte Anzahl und Super-8 mit 1/6 Zoll Lochabstand 72.

 

Trau, schau, wem! Im SMPTE Journal, August 1990, schreibt ein John Belton über die Ursprünge des 35-mm-Films als Standart. Er geht zunächst recht Vertrauen erweckend vor, doch wie man bei der Abbildung 10 ankommt, reißt die Zuversicht ab: George Eastman (left) delivers the first roll of motion-picture film to Thomas Edison.

 

„Warum leide ich? Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten.“ Thomas Payne in Dantons Tod von Georg Büchner (1835). Die Bildunterschrift schmerzt.

 

Abbildung 10 zeigt Eastman und Edison an einer Mitchell-Kamera, Mark II, die 1928 herauskam. Die Fotografie ist aus dem Jahre 1928, wie nachzulesen ist im Dictionnaire du cinéma et de la télévision von Maurice Bessy und Jean-Louis Chardans (Pauvert, Paris, 1965). Christopher Rawlence schreibt in seinem Buch The Missing Reel (London, 1990): They filmed him in his garden. George Eastman was also present. The idea was to show the inventor of film alongside the inventor of the moving-picture camera. The set-up involved asking Edison to wind the crank of a movie camera while Eastman held up a strip of film. It was an early talkie. When the director said “Action”, the white-haired old men beamed at the camera. When the director made a little circling movement with his hand, Edison started winding the crank for all he was worth. Then he paused and said solemnly, “In the late 1880s I invented the motion-picture camera. Fire has destroyed the early models, but it was my work which made motion pictures a success.”

 

Man filmte ihn in seinem Garten. George Eastman war auch zugegen. Es war geplant, den Erfinder des Films neben dem Erfinder der Filmkamera zu zeigen. Bei der Aufnahme wollte man Edison bitten, die Kurbel einer Filmkamera zu bewegen, während Eastman einen Filmstreifen hochhält. Es war ein früher Tonfilm. Als der Regisseur „Action“ sagte, starrten die weißhaarigen alten Männer in die Kamera. Als der Regisseur eine kleine kreisende Handbewegung machte, begann Edison die Kurbel zu drehen, was er nur konnte. Dann hielt er inne und sagte feierlich: „In den späten 1880ern erfand ich die Filmkamera. Feuer zerstörte die ersten Modelle, doch es war meine Arbeit, die bewegte Bilder zum Erfolg brachte.“

 

Super-8 stammt im Wesentlichen auch von Ingenieuren der Bell & Howell Company. Es ist offen, was noch alles aus jener Ecke gekommen ist. Es wird geforscht. Fest steht, daß die EKC und BH einander lange Zeit starke Partner gewesen sind.

  • Like 1
Geschrieben

Ja, die Suche nach der Wahrheit höret nimmer auf! Edison war ein genialer Marketing-Mann, gegen den kann das Apple-Männchen Jobs glatt einpacken. :)

 

Filmtechniker schrieb:

Abbildung 10 zeigt Eastman und Edison an einer Mitchell-Kamera, Mark II, die 1928 herauskam.

 

Es gab zwar eine Mitchell Mark 2 (auch: MK II), die aber erst in den 1960ern herauskam. Diese ungeblimpte Kamera mit Reflexsucher wurde gern für Highspeed (bis 120 B/s) und Trickaufnahmen eingesetzt.

 

Mitchell Standard (1920)

Mitchell NC ("Noiseless Camera", 1928)

Mitchell BNC ("Blimped Noiseless Camera", 1934)

 

Vom Edison/Eastman-Bild gibt es einige Varianten, mit und ohne Hand an der Kamera.

 

http://www.edwardsamuels.com/illustratedstory/chapter%203/Edison.jpg

 

http://www.khwarzimic.org/takveen/edison2.jpg

 

http://www.pedimentbooks.com/media/catalog/product/cache/1/image/5e06319eda06f020e43594a9c230972d/r/o/rochester_camera_kodak_george_eastman_thomas_edison.jpg

 

http://www.efwefla.org/pics/Museum/EastmanCamera.jpg

 

Auf dem letzten Bild ist etwas mehr von der Kamera zu sehen, eine Mitchell ist's in jedem Fall.

Geschrieben

Sie wurde tatsächlich erst Mark II genannt, bevor sie die endgültige Bezeichnung Mitchell Newsreel Camera erhielt. Der Mitchell-Prototyp entstand 1919-20. Dazwischen liegt die High Speed, 1925, die sich von der gewöhnlichen Kamera bei Filmantrieb und Lagerung unterscheidet, für die großen Geschwindigkeiten gab man ihr Kugellager anstatt Gleitlager und ein Paar schrägverzahnte Stirnräder. Die Blimped Newsreel Camera hatte dann zum ersten Mal Zahnräder aus Hartpapier-Verbundstoff in einem neugestalteten Getriebe.

 

Danke für die Bilderlinks. Eine der Aufnahmen prangt noch heute im historischen Teil der Kodak-Homesite.

 

Was ich noch nicht herausfinden konnte: Besteht noch ein Exemplar der mindestens zwei Kinetographen, die sie hatten? Auf einer der Edison-National-Site-Homepage-Seiten gibt es eine Abbildung der heutigen Situation, wo ein Nachbau (?) vom Kinetograph vor einem gemalten Hintersetzer aufgestellt ist. Falls jemand einen Text von Dickson findet, sei sie/er darauf hingewiesen, daß auch Dickson falsche Daten angab. Vor 1891 war wirklich nichts. Für die Weltausstellung in Chicago wurde man mit dem Kinetoskop gerade noch fertig. Auch die 2008 veröffentlichte Sache mit einem angeblich nachgewiesen von Edison stammenden Tagebucheintrag zu Le Prince halte ich für Schwindel. Die Amerikaner scheinen mit aller Kraft an Edison als Superstar festzuhalten. Die Forschung hat aber schon lange gezeigt, daß er der Research-and-Development-Pionier war. Es tut ihm keinen Abbruch, daß die wesentlichen technischen Erfindungen um den Film in Europa gemacht worden sind, und zwar von Deutschen, Engländern und Franzosen.

 

Ein nächster Kandidat, dessen Darstellung mit Entfernung eines Sockels einhergeht, ist Eastman. Bis ich einen Text dazu fertig habe, nur so viel: Zwei Mal stand seine Unternehmung total am Abgrund. Beide Male hat Eastman denjenigen, der ihm den Arsch rettete, hinterher lausig behandelt. Das spielte sich zwischen 1886 und 1894 ab. Nicht, daß die Tatsachen unbekannt wären, aber auf Deutsch sind sie noch nicht zu lesen gewesen.

Geschrieben

Nett (und wohl auch bezeichnend) finde ich diese von Dickson berichtete Anekdote (nach der ersten Demonstration von Celluloïd im New York Camera Club, von der er mit einem 2 mal 4 inch-Muster zurückkehrte):

 

When I showed Mr. Edison my new find his smile was seraphic: "Good," he said, "we can now do the trick - just work like hell."

Als ich Mr. Edison mein Fundstück zeigte, lächelte er engelhaft: Sehr schön, sagte er, das könnte klappen - jetzt musst du nur noch arbeiten, was das Zeug hält.

 

(W. K. Laurie Dickson, A Brief History of the Kinetograph, the Kinetoscope and the Kineto-phonograph, Journal of the SMPE, Volume 21, December 1933)

Geschrieben
Die Schallplatte, das hier nebenbei, erfand der Deutsche Emil Berliner. Sie hat Seitenschrift im Gegensatz zur Schallwalze Edisons und klingt deshalb besser.

Dass die Schallplatte wegen der Seitenschrift besser klang, da habe ich meine Zweifel. Außerdem war die Seitenschrift anfangs unumgänglich, weil sich nur so Schallplatten vervielfältigen ließen, erst später kamen Verfahren auf, bei denen es egal war, ob die Rille in Tiefen- oder Seitenschrift oder was auch immer ist.

Von Dixon gibt es im Internet den ersten Tonfilm überhaupt, eine kurze Szene, wo ein Geiger vor einem "dekorativem" Trichter geigt und 2 Männer dazu Walzer tanzen. DIe Walze zu diesem Film schien lange verschollen, wurde wiedergefunden, repariert und mit heutiger Technik an den Film angepasst.

  • 5 Wochen später...
Geschrieben

Spannend wie ein Krimi!

Danke für den tollen Text.

 

Ich zweifle auch, dass Seitenschrift besser klingt als Höhenschrift. Aber ganz abgesehen davon: Hat eigentlich wirklich nie jemand die Idee gehabt, eine Schallrille direkt in den FIlm zu schneiden? Beim Tefifon klingt die ganz hervorragend. "Nadeltonfilm" ist ja wohl was anderes.

Geschrieben

Die Idee gabs bestimmt, aber es dürfte schwierig herzustellen sein.

 

Och, es geht. Schallfolienschneidegeräte (Seitenschrift) gabs auch schon vorm 2. Weltkrieg -- hier steht so eines und wird (immer noch) restauriert. So ein Schneidkopf ist klein, kompakt und kräftig.

Ich hab mal testweise auf alten Röntgenbildern eine Schallrille geschnitten... klingt ziemlich gut. Subjektiv nicht schlechter als Decelith. (AOL-CDs als Schallrillenträger hingegen rauschen enorm)

Geschrieben

Hallo,

zum Thema Tefifon hätte ich gern noch etwas mehr erfahren. Ich erinnere mich vage an Anzeigenbilder und Bezeichnungen aus alten Zeitschriften der frühen 50er Jahre. Das Gerät, das ich da sah, erinnerte aber an einen Vorläufer der Magnetband Geräte (extrem breites Band).

Gruß, Hajo König

 

PS: Ich hab inzwischen selbst mal bei Wikipedia nachgesehen (hätte mir auch gleich einfallen können) - meine Erinnerung stimmte nur in Bezug auf den Zeitraum, ansonsten war sie unzuverlässig. Es handelte sich doch um ein nicht-magnetisches, mechanisches Verfahren, das Nachteile bei der Beanspruchung der Bänder aufwies.

Auf welche Weise allderdings die Informationen auf das Band kamen, wird in dem gen. Artikel nicht beschrieben.

  • 8 Jahre später...
Geschrieben (bearbeitet)
Am 8.8.2010 um 11:35 schrieb Filmtechniker:

Pathé kam auf Weihnacht 1921 als Erster heraus mit dem Baby-Projektor, damit man im Familienkreise Filme aus dem Répertoire der Pathé anschauen konnte.

 

1923 lief der Handel mit Ciné-Kodak-Substandard an. Die erste Kamera lieferte der Schwede Alexander F. Victor, Davenport, auch ein Ex-Edisoner. Der Entwurf des 16-mm-Films stammt aus Chicago mit Lochabstand 0.3" und Bildbreite 0.4". Ränder und Perforation führen fast von selbst zu ⅝ Zoll Filmbreite. Im Nachgeben der sich langsam dem französischen Metersystem nähernden Welt wurde 16 Millimeter als Höchstmaß festgelegt.

 

Da habe ich einen Fehler gemacht. Der Pathé-Baby-Projektor wurde im Dezember 1922 herausgebracht. Die ersten Pathé-Baby-Kameras erschienen im Juni 1923.

 

Die Einführung der Pathé-Baby-Geräte war übrigens mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Etwa 15 Prozent der frühen Projektoren wurde in die Fabrik zurückgeschickt, weil sie nicht funktionierten. Auch von den ersten Kameras waren viele fehlerhaft. Im Oktober verlangte Pathé Drosselung der Fabrikation zu Gunsten besserer Güte.

 

Interessant ist das US-amerikanische Bundespatent 1'587'955 an die Bell-&-Howell-Gesellschaft vom 8. Juni 1926. Die Anmeldung dafür erfolgte am 1. Juli 1922 und verfaßt wurde es am 28. Juni 1922. Darin sind die wesentlichen Dinge des Filmo-16-Projektors, Modell 57, beschrieben. Es wurde auch zum Schutz des Filmo-8-Projektors, Modell 122, benutzt. Man beachte also, daß bei der Bell & Howell Co. ausgereifte Technik ein Jahr vor Veröffentlichung des 16-mm-Filmformates durch Eastman-Kodak vorhanden war. Die Patentzeichnungen enthalten absichtlich leicht von der Wahrheit abweichende Einzelheiten. Das Gerät ist als Linkslader dargestellt, der Fuß steht verkehrt, der Film hat zwei Perforationslöcher pro Bild und nur auf einer Seite, der Greifer besitzt vier Zähne, usw. Wenn man die Modell- oder Design-Nummern anschaut, 57 im Jahre 1922, dreizehn Jahre später 122, dann fragt man sich schon, ob tatsächlich 65 Designs dazwischen liegen. Design 70 ist die 16-mm-Filmo-Kamera, Design 71 die 35-mm-Eyemo-Kamera. Design 75 ist die schlanke Filmo-16-Kamera von 1928.

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